Die Erneuerbaren sind so nah

Erneuerbare Energien können den Weltbedarf an Strom um ein Vielfaches decken. Das Potenzial zu ihrer Nutzung ist enorm. Braunkohletagebaue und Öltanker werden in 50 Jahren seltene Anblicke sein. Die Politik muss Barrieren endlich beseitigen

VON JÖRG WEBER/ECOREPORTER.DE

Kraftwerke zur Nutzung erneuerbarer Energien könnten, technisch gesehen, 6-mal so viel Energie erzeugen, wie heute insgesamt auf der Welt verbraucht wird. Die Sonnenenergie würde zwei Drittel davon liefern, Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie den Rest. Doch die Potenziale sind gerade erst angezapft. Die Schätzungen darüber, welchen Anteil die erneuerbaren Energien weltweit am Verbrauch haben, schwanken zwischen 2,5 und 13,5 Prozent – je nachdem, wie der Verbrauch an Brennholz in weniger entwickelten Ländern einbezogen ist.

Fossile Brennstoffe haben weltweit einen Anteil an der Energieversorgung von zirka 85 Prozent. Aber die erneuerbare Energie holt schnell auf: So lieferten die 1992 in Deutschland errichteten gut 1.200 Windkraftanlagen erst 0,05 Prozent des hiesigen Strombedarfs. Die 15.387 Windräder, die Ende 2003 in der Bundesrepublik Strom lieferten, können bei durchschnittlicher Windstärke bereits 6 Prozent des deutschen Strombedarfs decken.

Die Internationale Energie-Agentur (IEA) kommt in ihrer Studie „Welt-Energie-Ausblick 2002“ zu dem Schluss, die Politik müsse Fehler ausmerzen und Marktbarrieren entfernen. Dann könne der Anteil der erneuerbaren Energien (ohne Wasserkraft) bis 2020 auf nahezu 9 Prozent steigen. Wasserkraft, die 1997 bereits 18 Prozent des weltweiten Strombedarfs deckte, werde bis 2020 etwa um die Hälfte ausgebaut, was den Gesamtanteil der erneuerbaren Energien zusätzlich nach oben treiben werde. Der Erdölkonzern Shell prophezeit den Regenerativen bis 2050 unter bestimmten Voraussetzungen, ein Drittel des weltweiten Primärenergieverbrauchs zu liefern – und sogar den größten Teil der Sekundärenergie. Shell hat in einer Studie zwei Szenarien entwickelt, die darauf hindeuten, dass der Anteil fossiler Brennstoffe bis 2050 weltweit auf gut 60 Prozent zurückgehen könnte. Wechselnde politische Pläne, nicht genau einkalkulierbare technologische Weiterentwicklungen und andere Faktoren lassen genaue Prognosen für die erneuerbaren Energien in einzelnen Regionen kaum zu.

Aber für einzelne Energiearten liegen Schätzungen vor: So sagte die Internationale Energie-Agentur bereits 2000 für das Jahr 2040 einen Anteil der Windenergie am Weltstrombedarf in Höhe von 22 Prozent voraus. Die Gemeinschaftsstudie „Solar thermal power 2020“ von der Umweltschutzorganisation Greenpeace und der European Solar Thermal Industry Association prognostiziert allein der thermischen Nutzung der Solarenergie bis 2040 einen Anteil von 5 Prozent an der weltweiten Deckung des Energiebedarfs. Und das Potenzial der Wasserkraft gilt in Nordamerika und Mitteleuropa, auch in Deutschland, zwar als weitgehend ausgeschöpft. Aber in Afrika, Asien und Südamerika ist es erheblich ausbaubar, auch ohne Großkraftwerke. Die installierte Leistung könnte sich in den nächsten 50 Jahren auf weltweit über 1.400 Gigawatt (GW) verdoppeln.

Die Mehrheit der neuen Projekte dürfte im mittleren Leistungsbereich von 0,1 bis 1 Gigawatt liegen. Die installierte Leistung geothermischer Kraftwerke lag im Jahr 2000 nach Angaben der International Geothermal Association weltweit bei 7.974 Megawatt (MW) Strom, die Wärmeleistung betrug 17.175 Megawatt. Die Europäische Union prognostiziert einen weltweiten Anstieg der Energieerzeugung aus Geothermie auf insgesamt 26.500 Megawatt bis 2010.