Analyse: Die SPD zwischen den Wahlen
: Vor dem letzten Gefecht

Nordrhein-Westfalens SPD droht ein Machtkampf um den Parteivorsitz. Unter führenden Genossen greife eine „wabernde Unzufriedenheit“ mit Landesparteichef Harald Schartau um sich, sorgen sich Landtagsabgeordnete bereits. „Die Diskrepanz zwischen Ankündigungen und Realität wird immer größer“, ist aus dem Landesvorstand zu hören.

Warnungen vor einer Überforderung Schartaus, der auf Landesebene auch das Mega-Ministerium für Wirtschaft und Arbeit leistet, reißen seit Wochen nicht ab. Damit zerfallen Partei, Landtagsfraktion und Landesvorstand in zwei Lager. Offiziell fordern alle eine Entlastung des Landesvorsitzenden. Die SPD-Führungsriege müsse „durch die Bank“ stärker in die Verantwortung, meint ein Mitglied des Landesvorstands: „Ob Kabinett oder Vorstand – jeder muss sich angesprochen fühlen.“ Hinter der Fassade fürchten aber gerade die Funktionsträger der Sozialdemokraten um Macht und Einfluss, arbeiten an einer Entmachtung Schartaus nach den Kommunalwahlen: Sollte die SPD weiter verlieren, könnte Ministerpräsident Peer Steinbrück auch den Landesvorsitz übernehmen. Harald Schartau könnte mindestens bis Ende der Legislatur Minister im Kabinett Steinbrück bleiben und so sein Gesicht wahren.

Doch der Parteivorsitzende kämpft. „Hier werden doch bereits Namen kolportiert, wer Putschist ist und wer nicht“, ist aus der Düsseldorfer Landtagsfraktion zu hören – als Putschist gelte jeder, der Schartau auch noch so vorsichtig kritisiere. Eine Warnung mit Wirkung: Eilig dementierte Fraktionschef Edgar Moron, er habe eine Kabinettsumbildung in NRW gefordert. Gerade die Zusammenlegung der Ressorts Wirtschaft und Arbeit verdeutliche die schwindende soziale Kompetenz der SPD, hatte Moron geklagt.

Mag die offene Kritik an der Person Schartaus bis zu den Kommunalwahlen damit vom Tisch sein – die Sorge um den Kurs der Partei bleibt: Auch parteiinterne Unterstützer des ehemaligen Gewerkschafters warnen, mit dem Wegfall der „Leitplanken Solidarität und Gerechtigkeit“ drohe der Sozialdemokratie die „Beliebigkeit“. Nötig sei, auch den Begriff der „sozialen Innovation“ auf die Reformagenda zu setzen, etwa durch das Thema Bürgerversicherung.

Klar ist aber, dass der SPD dabei die Zeit davonläuft: „Wir können jetzt keine tiefgreifenden Analysen durchführen“, sagt ein Freund Schartaus. „Wir müssen näher an die Leute heran, wir müssen kämpfen.“

ANDREAS WYPUTTA