Keine bayerischen Verhältnisse

NRW-Landesregierung schreibt Städten vor, wie sie Bürgerentscheide durchzuführen haben. Verein „Mehr Demokratie“ lobt Verordnung, fordert aber grundlegende Reform für mehr Mitbestimmung

VON MARTIN TEIGELER

Die rot-grüne Landesregierung will die Direktdemokratie in Nordrhein-Westfalen verbessern. Per Kabinettsbeschluss hat die NRW-Koalition alle Kommunen verpflichtet, verbindliche Regeln für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide per Satzung festzulegen. Die direktdemokratischen Instrumente bräuchten „mehr Rechtssicherheit“, sagt Innenminister Fritz Behrens (SPD).

Hintergrund der Reform: Viele Städte haben missliebige Bürgerbegehren in der Vergangenheit mit Verfahrenstricks ausgebremst. Mit der neuen Verordnung schreibt die Landesregierung den Kommunen nun direktdemokratische Standards vor: Briefwahl auch bei Bürgerentscheiden, bessere Benachrichtigung und Information über die Abstimmungen sowie Erleichterungen für behinderte Wähler. „Die Gemeinde soll ihren Bürgern ermöglichen, sich ohne größeren persönlichen Aufwand am Entscheid beteiligen zu können“, fordert Behrens. Es sollte „auch nur der Anschein vermieden werden, der Gesetzgeber oder die Gemeinde legten der Durchführung eines Bürgerentscheids unnötige organisatorische oder sonstige Schwierigkeiten in den Weg“.

Daniel Schily vom Verein „Mehr Demokratie“ in NRW lobt die Vorgabe der Landesregierung. „Ich weiß aber nicht, ob das ausreichend ist“, sagt Schily. So wichtig klare und bürgerfreundliche Regelungen in allen NRW-Städten seien, auch das Land müsse seinen Teil zur Verbesserung der Direktdemokratie leisten. NRW solle das Verbot von Bürgerbegehren zu bestimmten Themen wie Abfallrecht oder Planfeststellungsverfahren aufheben, fordert Schily. „In anderen Bundesländern, etwa in Bayern, dürfen die Bürger mehr mitbestimmen.“

Robert Orth, Rechtsexperte der FDP-Landtagsfraktion, findet die Reform ebenfalls nicht ausreichend: „Die Standards, die sie vorschreibt, gehen nicht weit genug.“ Die Bürger müssen zudem über Angelegenheiten wie Bebauungspläne oder Gebietsänderungen mitentscheiden können, so Orth. Ferner sollten die komplizierten rechtlichen Regeln, die zur Zulassung von Bürgerentscheiden nötig sind, vereinfacht werden. „Bisher scheitern zu viele Entscheide an juristischen Spitzfindigkeiten.“