Badest du noch oder duschst du schon?

Die Badewanne darf nicht sterben: Die Ausstellung „Wasser – Bad – Design“ im Altonaer Museum zeichnet nach, wie sich das Badezimmer in den letzten 120 Jahren wandelte. Schöne Mahagoni-Verkleidungen mussten zierlose Kacheln weichen, Baden als Ritual wurde durch funktionale Reinigung ersetzt

Von Christian T. Schön

Die Badewanne ist vom Aussterben bedroht. Immer mehr junge Menschen finden: „Duschen ist geil!“ Vor allem Office-Members und Studenten zieht es in den Pausen zwischen den Meetings oder Mensa und Party zum „Dusch 2 go“. Verlockende Angeboten von Brausenherstellern verführen Minderjährige zur Körperhygiene unterm Plätscherstrahl. Regenschauer aus pastatellergroßen Duschköpfen ersetzen primäre Naturerfahrungen – der peinliche Wasserstrahl von Pumpduschen und die mickrigen Heißwasserboiler sind Geschichte.

Die Ausstellung „Wasser – Bad – Design“ im Altonaer Museum illustriert den Niedergang der Badewanne von der einst luxuriösen Nasszelle zum auf Design und Funktionalität reduzierten Waschzuber. Neun historische Modelle erinnern an die Zeit, als die Wanne noch nicht neben den Handtüchern und dem Klo in eine Badezimmerecke gemauert wurde, sondern auf Löwenkopffüßen frei im Raum stand.

Wie ein Sektkelch funkelt da die frei stehende Kupferbadewanne aus der Zeit um 1880. Ein Luxusexemplar zwar, für die damalige Zeit wie für heute, aber ein Genuss für die Sinne. Die schnöde Seifenlauge verwandelt sich beim Einlassen in flüssiges Gold. Die Arme des Badenden ruhen auf einem ausladenden Rand. Der Ausguss gurgelt sanft unter dem Gesäß, während durch goldene Hähne frisches Wasser nachfließt.

Raffiniertere Modelle um die Jahrhundertwende kombinierten die Sitzwanne mit einem Duschaufsatz. An drei Steuerräden konnte der Kapitän in seiner Wanne kaltes und warmes Wasser mischen, Wellen erzeugen, sowie zwischen Kopf- und Seitenbrause (!) wechseln.

Bis ins 19. Jahrhundert war Baden eine wenig private Angelegenheit. Dorfleute trafen sich in der örtlichen Badestube, Städter in großen öffentlichen Badeanstalten. Privatisiert wurde der Genuss erst in den Neubauten der 1920er: Die Volksbadewanne lehnte damals an der Wand jeder Gemeinschaftswaschküche. Ein Blechtrog, schlicht und zinnfarben meliert. In der Ausstellung aufs Podest gehoben, beinah wie das Duchamp‘sche Pissoire. Wer baden wollte, ging in den Keller, stellte die Blechwanne auf, kochte Wasser und füllte es mit riesigen Schöpfkellen in die Wanne.

Zum Abschluss der kleinen Chronologie präsentiert der Sponsor und Leihgeber der Ausstellung – mit einem irritierenden Zeitsprung von über 70 Jahren – auf Podest Nr. 9 ein modernes Badezimmer-Ensemble aus eigenem Hause. Glatt. Elegant. Klar. Dusche und Wanne (immerhin frei stehend!) separiert, damit die Putzfrau gut in alle Ecken kommt.

Badewanne, Badewanne, was ist aus dir geworden? Ein hilfloses Romantik-Utensil für Rosenblüten-ins-Wasser-Streuer und Champagner trinkende Liebende. Aus dem öffentlichen Reinigungs-Event mit dazugehöriger Massage ist ein stupides Morgens-Mittags-Abends-Ritual geworden. Der frei stehende Wannenkörper wurde in die hinterste Zimmerecke verdrängt. Schmucke Mahagoni-Verkleidung musste zierlosen Kacheln weichen. Die stilvollen Kupferöfen, in denen das Wasser erhitzt wurde, sind aus dem Blickfeld verschwunden. Die antike Zwei-Wasserhahn-Wannenarmatur wurde durch „selbst regulierende Thermostatmischventile auf Bimetallbasis“ und „kolbengesteuerte Einhebelmischer“ verdrängt, wie es die Kuratoren formulieren.

Informative Textsäulen umreißen die wichtigsten Themen der Sanitärhistorie: das über die Jahrhunderte wechselvolle Berufsbild des Klempners, die wieder entdeckten antiken Techniken der Wasservorsorgung und die Kultur des Badens. Die Details der liebevoll arrangierten Modell-Badezimmer werden durch die Texte jedoch leider nur unzureichend kommentiert.

In der Stille vor dem letzten Gefecht stehen sich im Altonaer Museum Badewannen und Handbrausen gegenüber. Alt gegen neu. Raumgreifend gegen Platzsparend. Wellness gegen Fast-Dusch. Beide Seiten sind zur Wasserschlacht bereit.

Di-So 11-18 Uhr, Altonaer Museum, Museumstr. 23; bis 1. August