LONG PLAYING RECORD
: Jukebox - Der musikalische Aszendent

Sentimentaler Quickie mit dem Ex, wiedervereinigt

Die Weisheit der Straße weiß: Nur neu ist noch neuer. „Neueröffnung“ steht an den Geschäften, die meist vorher schon Geschäft waren. Mögen sich auch Dudenbesitzer über das sprachlich doppelt Genähte grämen. Und wiederkäuen macht die Kuh. Trotzdem.

Die Ärzte. Velvet Underground. Deutschland. Die Sex Pistols und jetzt die Pixies. Alle haben es gemacht, mal mehr und oft weniger erfolgreich: die Wiedervereinigung. Die nun nicht gerade den besten Ruf genießt, weil was gemacht ist eben schon gemacht ist und Kritiker den künstlerischen Mehrwert vermissen, und wie immer kümmert sich die Welt nicht wirklich um diese Einwände, weil sie auch ihre Gründe hat. Das ist gar nicht der Hang zur Nekrophilie. Auf den Friedhof geht man schließlich nicht deswegen, um zu überprüfen, dass die dort liegen wirklich tot sind. Sondern um sich seiner Erinnerung zu vergewissern, und deswegen geht man auch zu den Konzerten frisch reunionierter Bands. Die Ankündigung eines neuen Albums kann da nur als Drohung verstanden werden. Niemand will neue Songs. Man will das Alte, das sich die zu spät Geborenen als Simulation nachholen dürfen, und die Bands machen es wohl, weil man a.) gerade nichts Besseres zu tun hat, b.) wegen der Rente und c.) doch noch der Kick da sein könnte. Ist wie Sex mit dem/der Ex. Kann toll sein oder scheiße oder einfach nicht weiter der Rede wert. Weiß man vorher nicht. Aber man kann es ja versuchen.

Es geht um die zwei Grundprinzipien des Lebens. Hier die Erotik und da die Sentimentalität. Braucht man beides. Erotik: Spannung, Entzünden, die eigentliche Schöpfung, die dann von der Sentimentalität festgehalten wird. Notfalls in der Erinnerung. Erotik bringt die Dinge in Unordnung. Sentimentalität ist ein Ordnungssystem.

Natürlich kann die Vereinigung widerstreitender Prinzipien nie wirklich klappen. Schwarz und Weiß gibt Grau. Trotzdem. Hoffentlich regnet es am Dienstag in der Wuhlheide bei den Pixies nicht. THOMAS MAUCH