schön fern ist das wunder von bern von WIGLAF DROSTE
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Ich hatte mich rechtzeitig festgelegt. Als Mitte Mai die Tipps für die Fußball-EM abgegeben werden mussten, war klar: Ein frühes Ausscheiden der deutschen Mannschaft würde auch diesem Turnier gut tun. Wie groß muss die Verzweiflung eines Trainers sein, der Fredi Bobic zu einem internationalen Vergleich nicht nur mitnimmt, sondern dann sogar noch aufstellt? Fredi Bobic ist wie Dummdeutschland: Außer meckern und sich beschweren gar nichts können, und hinterher sind garantiert alle anderen schuld.

Ob es den Deutschen beim Menschwerden hilft, wenn sie erleben müssen, dass ihr spätestens seit Leni Riefenstahl liebstes Stecken- und Schaukelpferd, der Wille und sein Triumph, nicht ausreichen, um etwas Ansehnliches und Respektables zustande zu bringen? Immer wieder musste man sich das Gefasel anhören, es fehle der deutschen Mannschaft am „absoluten letzten Willen“ – wenn die Beckmann-Kerner-etcetera-Truppe sich diese letzte Führerpatrone selbst in die Hohlschädel schösse, wäre der Idiotiepegel im Land nicht unerheblich gesenkt. Mangel an Talent hat mit Willen überhaupt nichts zu tun. Aber erklären Sie das einmal einem Deutschen.

Das größte Problem der Deutschen allerdings ist ihr liebstes Stück Schmierseife: Franz Beckenbauer. Der ganze Mann ist eine Lüge. Beckenbauer zerfällt in drei Teile: Dummheit, Intriganz und Aufsteigertum – genau deshalb ist er das Idol so vieler Deutscher. Genau so scheiße wie der wären sie auch gern. Allein wie er redet: Das schöne französische Wort „Chance“ kann er nicht sprechen, bei ihm heißt es „Schaase“. Der Mann, der für Maggi-Suppen warb, darf ungestört seine eigenen kommerziellen Interessen als Fußballsachverstand in den Äther schicken.

Als Zinedine Zidane, der so Fußball spielen kann, wie Beckenbauer es lebenslang nicht einmal erahnte, zugunsten von Real Madrid das Mehr-leisten!-Monstrum Oliver Kahn von Bayern München mit einem technisch und athletisch traumhaften Tor bezwang, schäumte Beckenbauer: „Aus dem Nichts“ sei dieses Einsnull gefallen, „aus dem Nichts!“, und jaulte beleidigt: „Ja, wenn es schön herausgespielt gewesen wäre, dann könnte man es anerkennen!“ Womit er sagen will: Etwas, das Ich, Franz Beckenbauer, nicht anerkenne, existiert gar nicht. So einem hören die Deutschen zu. Das tun sie nicht ungestraft.

Oliver Kahns Kraftraumhals mit den gartenschlauchdicken Adern muss man erstmal nicht mehr bekucken; der eingeölte Beckenbauer jedoch wird bleiben. Solange diese Tube Muffenfett und seine tausend Kriecher aber nicht abserviert sind, wird alles bleiben, wie es ist.

Das deutsche Publikum, dessen Bedürfnis nach Fahne und Vaterland immer noch größer ist als das nach Schönheit und Glück, hätte auch weiterhin jede Trostlosigkeit in Kauf genommen, um im kollektiven „Wir!“ absaufen zu dürfen. Wer so dumpf tickt, wurde allerdings von Sönke Wortmanns Durchhalteheimatfilm „Das Wunder von Bern“ bereits angemessen befriedigt und darf jetzt also schweigen. Und zur Kenntnis nehmen, dass uninteressante Angeber nicht weit kommen. In Portugal findet schließlich ein Fußballturnier statt, kein Krieg und kein Schlager-Grandprix.