Jetzt wird alles gut. Hofft zumindest George W. Bush

Der Coup von Mossul soll von der Glaubwürdigkeitskrise Bushs in den USA und den Schwierigkeiten bei Aufbau und Regierungsbildung im Irak ablenken

WASHINGTON taz ■ Aufatmen im Weißen Haus. Die Nachricht vom Tod der beiden Söhne Saddam Husseins ist seit Wochen der erste Lichtblick für die angeschlagene US-Regierung: Im Irak will ihr bislang die Befriedung des Landes nicht gelingen und zu Hause ist sie fast täglich neuen Vorwürfen ausgesetzt, die Öffentlichkeit in der Frage der Kriegsgründe getäuscht zu haben.

Dringend benötigt Präsident George W. Bush einen Durchbruch an einer der beiden Fronten. Er hofft, die Tötung von Udai und Kusai Hussein trägt dazu bei, dass der Guerillakrieg verebbt, da nun die Sympathie für Anhänger des gestürzten Diktators nachlässt und den Amerikanern wohl gesonnene Iraker die Oberhand gewinnen.

Den Tipp zum Aufenthaltsort der beiden Brüder erhielt das US-Militär von einem Kopfgeldjäger. Vielleicht macht das Beispiel Schule und Saddam Hussein selbst geht den Amerikanern ins Netz. Sollte der ehemalige Diktator gefangen oder getötet werden, hofft die Bush-Regierung, dass der Untergrundkrieg weitgehend zusammenbricht. Zunehmende Sicherheit würde den Wiederaufbau beschleunigen. Die positiven Meldungen aus dem Irak würden Kriegsgegnern und Kritikern des Nachkriegsmanagements daheim den Wind aus den Segeln nehmen. Das Kalkül: Sinkt der Blutzoll im Irak, vergisst und verzeiht die US-Bevölkerung rasch die aufgebauschten Kriegsgründe. Das wäre wohl das Ideal-Szenario der Strategen im Weißen Haus und im Pentagon.

In ersten Stellungnahmen ist denn auch bereits vom „Wendepunkt“ die Rede. Seit vor drei Wochen aufflog, dass die US-Regierung die atomare Bedrohung durch den Irak massiv übertrieben hatte und Bagdad fälschlicherweise vorwarf, waffenfähiges Uran in Afrika zu besorgen, stand sie unter Beschuss. Die oppositionellen Demokraten bliesen zum Angriff. Der wichtigste Stimmungsumschwung spiegelte sich in den Mainstream-Medien wider, die ihre patriotische Zurückhaltung aufgaben. Zudem rief die „Kriegslügen-Debatte“ die Friedensbewegung auf den Plan.

Trotz der frohen Kunde aus Mossul hat sich die Glaubwürdigkeitskrise der Bush-Regierung am Dienstag verschärft. Der stellvertretende Sicherheitsberater des Präsidenten, Stephen Hadley, gestand, dass er bereits im letzten Herbst von der CIA über Zweifel an der Uran-Connection zwischen Irak und Niger informiert wurde und daher den Hinweis darauf aus einer Bush-Rede im Oktober strich. Bis zu Bushs Rede zur Lage der Nation im Januar habe er die CIA-Notiz leider vergessen. Diese Kehrtwende im absurden Verschleierungstheater des Weißen Hauses entlastet den anfänglich zum Sündenbock gemachten CIA-Chef George Tenet, bringt jedoch Bushs oberste Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice in Bedrängnis.

Ob und wie der Tod der Hussein-Söhne Entlastung an der Irakfront bringt, bleibt abzuwarten. Experten warnen vor übertriebenen Triumphgefühlen. Es gebe keine Beweise, dass die Brüder in Angriffe auf US-Soldaten direkt verwickelt waren. „Die Widerstandszellen sind klein, autonom und verfügen über genug Waffen, um weiter zu kämpfen“, sagt Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies. Auch die New York Times glaubt, „dass weit mehr notwendig ist, um eine Trendwende im Irak einzuleiten“. Dazu gehöre der rasche Wiederaufbau vitaler Infrastrukturen, für den Washington mehr Geld bereitstellen müsse.

Doch die US-Regierung ist knapp bei Kasse. Daher umwirbt sie die einst geschmähte UNO. Die Weltorganisation will jedoch eine maßgebliche Rolle bei der Gestaltung der Nachkriegsordnung spielen. So forderte UNO-Generalsekretär Kofi Annan am Dienstag ein „baldiges Ende“ der Besetzung des Irak, einen „klaren Zeitplan“ für die Wiederherstellung der Souveränität und den Einsatz einer internationalen Polizeitruppe. Ohne neues UNO-Mandat verweigern jedoch die meisten Staaten ihre Mithilfe. Sollte sich die Sicherheitslage im Irak tatsächlich verbessern, könnten jene Kräfte in Washington wieder Oberhand gewinnen, die den Ruf nach der UNO nur als unnütze Zeitverschwendung betrachten und glauben, alleine Herr der Lage zu werden. MICHAEL STRECK