Tod in der Villa des Partners

Der Hausbesitzer der Villa, in der sich Saddams Söhne versteckt hielten, soll sie verraten haben. Manche mögen noch nicht an ihren Tod glauben

aus Mossul INGA ROGG

Die Villa in Mossul ist großräumig mit Stacheldraht abgesperrt. Amerikanische Soldaten hindern jeden, auch Journalisten, am Zugang. In dem Haus hinter der Absperrung wurden am Dienstagmorgen Udai und Kusai Hussein, die beiden Söhne Saddam Husseins, bei einem Feuergefecht mit amerikanischen Soldaten der 1. Luftlandedivision und Spezialeinheiten getötet.

Vor der Absperrung macht sich in einer kleinen Gruppe Zorn Luft. „Sie werden in der Hölle schmoren“, ruft Safwan, ein junger Christ aus Mossul. Damit meint er nicht die beiden Getöteten, sondern die amerikanischen Soldaten in Mossul. Safwan ist mit drei Freunden vor die Villa im Norden der Stadt gekommen. Das Haus im Viertel Schelal ist nur noch eine Ruine. Vier Stunden habe der Kampf gedauert, berichten Augenzeugen. Doch Safwan kann nicht glauben, dass die beiden Söhne tot sein sollen, und mit ihm die meisten der etwa 200 überwiegend jungen Leute, die sich an diesem Morgen danach vor dem Haus versammelt haben. „Die Amerikaner lügen“, schreit Safwan. Er habe mit eigenen Augen gesehen, wie 20 tote Amerikaner abtransportiert worden seien. Von einem Verletzten sprechen die Amerikaner.

Es ist eine verschworene kleine Wallfahrtsgemeinde von Saddam-Hussein-Anhängern, die sich hier eingefunden hat. Sie ist gekommen, um ihrem verehrten Rais (Führer) die Ehre zu erweisen. Mit Bildern von Saddam und Saddam-Dinaren in Händen brüllen sie sich die Seele aus dem Leib: „Mit Leib und Seele für Saddam!“ Als sich ein amerikanischer Soldat nähert, erntet er Pfiffe. Kurzfristig droht die Situation zu eskalieren. Als der Soldat seine Waffe entsichert, suchen die meisten das Weite.

Über das, was sich im Haus zugetragen hat, gibt es in Mossul unterschiedliche Darstellungen. Ein Bäcker habe in den Tagen zuvor plötzlich mehr Brot in das Haus liefern müssen als sonst, sagt ein Nachbar. Das habe jemand den Amerikanern gemeldet. Nach Angaben eines Sprechers der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), einer der beiden großen kurdischen Parteien, führte indes der Hausbesitzer die Amerikaner auf die Spur der beiden Saddam-Söhne. Scheich Nawa Serdar, ein Geschäftspartner der Saddam-Familie, der sich selbst als Mitglied des von Saddam kreierten Stamms der Albu Nasser bezeichnet, und ein Leibwächter hätten den Tipp gegeben. Ein Bürger habe die US-Einheiten über die Anwesenheit der beiden Söhne informiert, bestätigte der Chef der amerikanischen Landstreitkräfte im Irak, General Ricardo Sanchez, lediglich.

Je 15 Millionen US-Dollar haben die Amerikaner vor einigen Wochen auf die Köpfe der beiden Söhne ausgesetzt. Mit ihrem Tod ist den USA der bisher schwerste Schlag gegen die ehemalige Führungsriege des Regimes gelungen. Auf einer Presskonferenz in Bagdad schilderte Sanchez gestern detailliert den Ablauf der Operation und die Bemühungen um eine Identifizierung der Toten. Unter anderem habe Saddams Privatsekretär ihre Identität bestätigt. Am Körper Udais habe man die Merkmale eines Attentats aus dem Jahr 1996 gefunden. Außerdem hätten Dentalanalysen bei Kusai eine Übereinstimmung von 100, bei Udai von 90 Prozent ergeben. Die Leichen waren nach dem Feuergefecht zur Identifizierung nach Bagdad gebracht worden. Bei einem der weiteren Toten soll es sich um den 14-jährigen Sohn von Kusai, Mustafa, handeln, beim vierten um einen Leibwächter.

Für die Gemeinde vor der Villa zählten solche Angaben wenig. „Jeder Iraker, der eine Ehre hat, wird sich für Saddam opfern“, sagt ein Mittvierziger. „Nie und nimmer wurden in diesem Haus Udai und Kusai getötet“, behauptet Ibrahim Mohammed. Der Doktor der Chemie fordert die Rückkehr des alten Regimes. „Aber selbst wenn sie getötet wurden, dann haben wir immer noch Saddam.“ An die Stelle von Udai und Kusai seien Millionen Iraker getreten, die alle bereit seien, ihr Leben zu geben.

Möglicherweise hielt sich in der Villa auch Saddam Hussein selbst versteckt. Er habe gesehen, berichtet ein Zuschauer, wie kurz vor Beginn des Kampfes zwei vermummte Männer das Haus in einem Taxi in Richtung Norden verließen. Die Straße führt direkt in die kurdischen Berge. Deren Nähe hält man bei den irakischen Parteien auch für den Hauptgrund, dass sich die Familie in der Gegend versteckte. Warum sich die Familie aber ausgerechnet im Schelal-Viertel versteckte, ist unklar. Es grenzt unmittelbar an das überwiegend von Kurden bewohnte Quartier an, in dem die Gegner von Saddams Regime besonders zahlreich sind.

Dass es sich bei der Villa um eine Kommandozentrale der verstreuten Widerstandsgruppen handelt, gilt als ausgeschlossen. Nach Angaben der Nachbarn war erst in den letzten Tagen vermehrte Bewegung um das Haus festzustellen. Zur gleichen Zeit häuften sich in der Gegend um Mossul die Anschläge auf die US-Einheiten. In der Stadt sind aber auch drei Monate nach der Befreiung die Anhänger des alten Regimes ungeschlagen. Zum Teil sollen sie sich mittlerweile unter dem Banner einer islamischen Partei reorganisiert haben.

In der Gruppe vor der Villa findet sich nur einer, der sich offen über den Tod der ruchlosen Söhne freut. „Saddam war ein blutrünstiger Diktator. Mit seinen Söhnen ist auch sein Ende nah.“

Das glaubt man auch bei den politischen Parteien vor Ort. „Für uns ist das ein Freudentag“, sagt Raad Fachri vom Wifak, der Sammlungsbewegung ehemaliger Baathisten. Mit dem Tod von Udai und Kusai werden es sich die Wankelmütigen anders überlegen und eher nach einem Weg suchen, sich mit der angloamerikanischen Koalition zu arrangieren, glaubt auch Saadi Pire von der kurdischen PUK.

Doch die Ewiggestrigen wird das nicht überzeugen. Sie haben mit dem Tod der beiden Saddam-Söhne zwei Helden, die sie künftig als Märtyrer verehren können.