Arroyo ohne Gloria zur Präsidentin gewählt

In den Philippinen wird Präsidentin Gloria M. Arroyo nach sechswöchiger Stimmenauszählung im Amt bestätigt

BANGKOK taz ■ Der philippinische Kongress hat gestern in den frühen Morgenstunden Amtsinhaberin Gloria Macapagal Arroyo zur Siegerin der Wahlen vom 10. Mai erklärt. Laut beiden Parlamentskammern erhielt Arroyo 12,9 Millionen Stimmen und damit 1,1 Millionen mehr als ihr schärfster Rivale, der Schauspieler Fernando Poe Jr. Die Opposition hingegen wirft der Regierung Wahlbetrug vor und beharrt darauf, dass Poe mit 500.000 Stimmen Vorsprung gewonnen habe.

Die philippinische Börse gab sich gestern unbeeindruckt: In Erwartung des Kongressentscheids war der Index kurz zuvor auf ein Siebenwochenhoch von gut 1.573 Punkten geschossen, nachdem das Oberste Gericht schon am Montag Arroyos sich abzeichnenden Wahlsieg bestätigt hatte. „Die Präsidentin wird durch die Vorwürfe des Wahlbetrugs nicht beschädigt werden, solange sich diese als haltlos erweisen“, sagte der Analyst Jojo Gonzales.

Doch darin liegt die Crux: Schon der Wahlkampf glich einer Schlammschlacht. Poes Anhänger hatten die Regierung beschuldigt, Umfragen manipuliert zu haben, um Unentschlossene auf Arroyos Seite zu ziehen. „Mit so viel politischem Gift in der Luft, nach so viel Verleumdungen und Skandalberichten wird es einige Zeit dauern, bis die Wunden heilen“, schrieb der Kolumnist Emil Jurado im Manila Standard.

Verglichen mit dem politisch unerfahrenen Poe gilt die Ökonomin Arroyo vielen als das geringere Risiko. Alle hoffen nun, dass die 57-Jährige endlich die Korruption bekämpft, mehr Geld ins Bildungssystem steckt und Investoren ins Land lockt. Laut der Asian Development Bank in Manila fielen die ausländischen Direktinvestitionen 2003 um rund 82 Prozent. Viele bezweifeln aber, dass Arroyo in der Lage ist, durchzugreifen. Denn die Tochter des früheren Präsidenten Diosdado Macapagal hat schon in den vergangenen drei Jahren keine Reformen angestoßen. Das lag nicht zuletzt an den verkrusteten Strukturen: Wenige reiche Clans bestimmen die Geschicke des Landes, in dem die Hälfte der 82 Millionen Einwohner mit weniger als zwei Euro am Tag auskommen muss. Earl Parreno vom „Institut für politische und Wahlreformen“ meint hingegen, Arroyo könne gerade jetzt unpopuläre, aber notwendige Reformen durchsetzen, weil sie sich nicht mehr um ihre Wiederwahl sorgen brauche.

Eigentlich sieht die Verfassung nur eine sechsjährige Amtszeit vor. Ihre erste Präsidentschaft verdankte Arroyo 2001 dem Sturz ihres korrupten Vorgängers Joseph Estrada durch friedliche Massenproteste. Die damalige Vizepräsidentin Arroyo wurde verfassungsgemäß seine Nachfolgerin und konnte sich deshalb jetzt wieder zur Wahl stellen. Die chaotischen, teils von blutiger Gewalt überschatteten Wahlen und vor allem die auch für philippinische Verhältnisse ungewöhnlich lange Stimmenauszählung haben die geringe Glaubwürdigkeit des politischen Systems noch weiter angekratzt. Arroyo kann jetzt noch so oft die „Einheit des Landes“ beschwören. Zur Amtseinführung am 30. Juni werden massive Proteste der Opposition erwartet.

NICOLA GLASS