Verkannte Köstlichkeiten

Schafgarbe, Bärlauch und Co.: Eine Ausstellung im botanischen Sondergarten will helfen, das Wissen um die aromatisierende und heilende Wirkung von Küchenkräutern wieder aufzufrischen

von Claudia Hangen

Ein Hauch von Urlaub, von Wanderungen durch sonnige Gefilde, liegt in der Luft. Rosmarin und Kerbel, der auch französische Petersilie heißt, Minze, Thymian und Bohnenkraut duften am Gemüsestand auf dem Altonaer Wochenmark um die Wette. Ein älteres Ehepaar verlangt unbeeindruckt Schnittlauch und Petersilie. „Das sind die einzigen Kräuter, die ich kenne und mit denen ich koche“, gesteht die Frau. Die junge Gemüsehändlerin kennt das. „Immer weniger Kunden können Kräuter in der Küche nutzen“, sagt sie.

Ein Angebot des botanischen Sondergartens in Wandsbek könnte helfen, das Wissen um die aromatisierende und auch heilende Wirkung der Küchenkräuter wieder aufzufrischen. Helge Masch, Gärtner und Leiter des Gartens, führt auf Wunsch Kundige und Anfänger durch die derzeitige Kräuterausstellung.

Gleich am Eingang des 1926 vom Wandsbeker Lehrerverein gegründeten Sondergartens blühen und gedeihen 40 steckbrieflich gekennzeichnete Kräuter, darunter roter Basilikum, mexikanischer und mehliger Salbei, Kapuzinerkresse, gewöhnlicher Beifuß, Pfefferminze, Anis, asiatische Melisse und die seltene Knoblauch-Kapilie, in Viererreihen neben dem Gewächshaus. Eine „mobile Küche“, in der Besucher „alle Kräuter ausprobieren und dann das dazu passende Rezept mit auf die Hand wollen“, ist die Ausstellung jedoch nicht, verwahrt sich Masch.

Vielmehr eine erste Bekanntmachung. Denn auch wenn immer wieder wahre Kräuterkenner kämen, müsse er dem Großteil der Interessierten doch erst mal erklären, dass „eine Pflanze erst blühen muss, bevor sie Frucht trägt“. Oder dass beispielsweise die asiatische Melisse auch essbar ist. Die Sommerblume mit den kleinen blauen Blüten steht zwar in vielen Blumenbeeten neben Geranien und Tagetis. Doch als Kräuterpflanze, deren „Blätter im Salat würzig schmecken“, habe sie sich in der europäischen im Unterschied zur asiatischen Küche nicht durchgesetzt.

Helge Masch sitzt im Kräutergarten vor dem lila blühenden Thymian, sucht die Larven der Marienkäfer, die die Pflanzen effizient und ökologisch von Blattläusen befreit haben, und erzählt. Von der Petersilie zum Beispiel. Die, ob glatt oder kraus, war schon zu Zeiten Hildegards von Bingen ein geschätztes Heilmittel gegen Magendruck und Knoblauchvergiftung. Man sagt der Petersilie auch nach, dass sie, in großen Mengen genossen, ein Aphrodisiakum für Männer sei. Und die Benediktinermönche kochten Petersilie mit Weinessig und Honig auf und genossen den „Herzwein“ als herzstärkendes Getränk.

Auch vom Bärlauch oder wilden Knoblauch, seit einiger Zeit hierzulande wieder in Mode gekommen, weiß Masch Lobendes zu berichten. Das wohlschmeckende, weißblühende Lauchgewächs bevorzugt schattige Plätze in Laub- und Mischwäldern und ist besonders reich an Vitamin C. Den Namen habe ihm der Volksmund verliehen, da angeblich Bären das Kraut nach ihrem Winterschlaf fraßen, um die letzte Müdigkeit zu vertreiben. Und tatsächlich fördert Bärlauch die Blutgefäßdurchblutung, senkt den Cholesterinspiegel, reinigt Magen und Darm und hat eine verjüngende Wirkung auf den Organismus.

Masch selbst bevorzugt für seine private Salatrezeptküche Gewächse wie Schafgarbe, Löwenzahn oder Knoblauchrauke, die im Sondergarten wild zwischen den Mauerritzen wachsen. Weitgehend verkannte Köstlichkeiten, wie Masch sie nennt. So habe er einmal erlebt, dass eine Lehrerin im Stadtpark ihre Schüler davor warnte, die Schafgarbe anzufassen, da sie „hoch giftig“ sei. So etwas ärgert Masch. „Die Schafgarbe ist ein altes Heilmittel, das früher zur Blutstillung oder auch als Badeessenz gegen Krämpfe wirkte“, belehrt der engagierte Kräuterfreund. „Und außerdem schmeckt sie gut zu Hähnchenbrust.“

Die Ausstellung Küchenkräuter in den Frühbeetkästen findet noch bis 1. Oktober im Botanischen Sondergarten, Walddörferstraße 273 (☎ 040/693 97 34), montags bis donnerstags von 7 bis 15 Uhr und freitags bis 14 Uhr statt; der Eintritt ist frei. Zum Austausch von Küchenkräuterrezepten gibt es die Internetseite www.pflanzen.p-a-g-e.de.