Zu wenig lesbisch

Rainer Bielfeldt ward eingeladen, für den CSD eine Hymne zu schreiben: Nun darf sie bloß nicht so genannt werden

Jüngst wurde er 40 Jahre, der Mann aus Hamburg, der Tim Fischer am Klavier begleitete, mit Gayle Tufts auf den Kleinkunstbühnen der Republik gastierte und seit einiger Zeit wieder solistisch tätig ist. Und das ist schön so, denn Rainer Bielfeldt ist nicht nur ein ziemlich beschäftigter Kindermusicalkomponist, ein Liedschreiber der famosen Sorte, sondern hat außerdem selbst eine sehr hübsche, weil feine und warmherzige, weil völlig ungekünstelte Stimme.

Und da Bielfeldt für die schwule Musikszene das ist, was man einen Tonangeber, einen verlässlichen Wegbegleiter nennt, war es kein Wunder, dass die Berliner CSD-Organisatoren ihn dieses Jahr fragten, ob er die Hymne zum Tage schreiben könnte. Nun, die Anfrage kam ein wenig spät, aber der Komponist hatte etwas in der Schublade, von dem er wusste, dass es, rein textlich, zu wenig Worte wie coloured, rainbow oder united enthält: die einzigen Chiffren, auf die sich Lesben und Schwule einigen können.

So wurde der Song „Um die Häuser von Berlin“ einerseits die Hymne zum CSD dieser Saison – aber nur in Schwulenkneipen, wo man das flotte Stück übers Abschleppen und Abschiednehmen seit neuestem gerne spielt. Das fanden die Lesben so gar nicht kompatibel – Lesben schleppen nicht so roh und sexuell raubtierhaft ab, außerdem ist ihre Kneipenszene kleiner. Und überhaupt: Schwules Leben sei kein lesbisches. Vielleicht nicht unsensibler, aber eben auf alle Fälle drastischer. Was ja wahr ist, aber das wusste Bielfeldt, als er sich in seinem wendländischen Domizil an die Feinarbeit machte, ja auch allein.

So singt er heute Abend an der Siegessäule seinen Song – und wird sich freuen, wenn er Beifall bekommt, am liebsten von Lesben. JAF