Sehnsucht nach politischer Stabilität

Am Sonntag finden in Kambodscha Parlamentswahlen statt. Sie gelten als Test für die Demokratie. Doch Einschüchterung und Stimmenkauf sind an der Tagesordnung. Größte Chancen auf einen Sieg hat die regierende Kambodschanische Volkspartei

„Wir brauchen mehr Ausländer, die in unser Land kommen und investieren“

aus Phnom Penh NICOLA GLASS

Über den belebten Zentralmarkt in Phnom Penh dröhnen die Lautsprecher: Parteifunktionäre haben dort ihre Tische aufgebaut, Lastwagen und Motorräder fahren in Kolonnen quer durch die Stadt. Ihre Fahrer schwenken Fahnen, brüllen Slogans. Es ist Wahlkampf in Kambodscha, traditionell eine politisch brisante Zeit. Gut sind vielen Kambodschanern noch die Parlamentswahlen von 1998 in Erinnerung, die von gewalttätigen Ausschreitungen und politischen Morden überschattet waren.

Diesmal sprechen Wahlbeobachter von einer viel entspannteren Atmosphäre. Die Menschen in Kambodscha sehnen sich nach Ruhe: „Frieden und Stabilität brauchen wir“, sagt Taxifahrer Suriwan, „und mehr Ausländer, die ins Land kommen und investieren.“

Die Wahlen am kommenden Sonntag, die dritten nach dem Frieden von 1991, gelten als weiterer Test für den Aufbau einer Demokratie in Kambodscha. Das Land, zerfressen von Korruption, zählt zu den ärmsten in Asien und hat das Trauma der Schreckensherrschaft unter Pol Pot längst noch nicht überwunden.

Die besten Chancen werden derzeit der Kambodschanischen Volkspartei (CPP) des regierenden Ministerpräsidenten Hun Sen eingeräumt. Die CPP hatte bisher mit der royalistischen Funcinpec als Juniorpartner regiert, ein reines Zweckbündnis, das sich jedoch zunehmend zerstritten hat. Unvergessen dürfte für die Royalisten zudem sein, dass Hun Sen, der als „starker Mann“ Kambodschas gilt, ihren Vorsitzenden Prinz Norodom Ranariddh vor Jahren faktisch entmachtet hatte.

Der Oppositionelle Sam Rainsy gilt für die Intellektuellen zwar als Stimme der Demokratie in Kambodscha, doch fehlt ihm wesentliche Unterstützung durch die Bauern und das Militär. Zwar ist das politische Klima derzeit ein anderes als 1998, trotzdem wurde erst kürzlich über Morde an elf politischen Aktivisten berichtet, unter anderem an einem Mitglied der Funcinpec und einem Sam-Rainsy-Anhänger. „Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass Raub oder häusliche Gewalt dahinter stecken und keine politischen Motive“, hatte jedoch Mao Chandara von der Nationalpolizei die Fälle abgetan.

Stimmenkauf und Einschüchterungen gehören weiter zum politischen Alltag. Dahinter steckten oft örtliche Mitglieder von Hun Sens CPP, so Peter Köppinger, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Phnom Penh. Zumindest dem äußeren Anschein nach will Hun Sen den Wahlen einen fairen Anstrich verpassen, da er um sein internationales Ansehen besorgt ist.

Der Wahlkampf selbst ist äußerst bizarr: Vor allem die Funcinpec und die Sam-Rainsy-Partei spielen die rassistische Karte gegen die in Kambodscha verhassten Vietnamesen aus. In Wahlkampfreden ist gar die Rede von einem „Ministerium für Migration“, das die Vietnamesen aus dem Land werfen beziehungsweise die künftige Zuwanderung strikt regulieren will.

Vietnamesische Geschäftsleute ziehen es derzeit vor, bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses das Land zu verlassen. Andere, die in Kambodscha geboren wurden, wollen abwarten. „Als ich die Parolen im Radio hörte, habe ich Angst bekommen. Aber eigentlich sind diese ganz normal“, zitierte die englischsprachige Zeitung Cambodia Daily die 20-jährige Long Chandee.

Die CPP hingegen gibt sich in der vietnamesischen Frage moderat. Schon einmal kamen rassistische Parolen Hun Sen teuer zu stehen, zum Beispiel im Verhältnis zu Thailand: Politische Ränkespiele führten Ende Januar zur Zerstörung der thailändischen Botschaft in Phnom Penh und einem schweren diplomatischen Zerwürfnis.

Doch trotz aller Probleme, sagt Peter Köppinger von der Konrad-Adenauer-Stiftung, habe sich hier vieles zum Positiven entwickelt, vor allem im Bereich der Zivilgesellschaft. „Man diskutiert viel offener und kritischer miteinander“, so Köppinger, nichtstaatliche und journalistische Organisationen übten den Schulterschluss.