Im Wendland knallen die Korken

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stärkt die Bürgerrechte und lässt in Zukunft Klagen gegen Atommüll- transporte nach Gorleben zu. Castorgegner begrüßen das Urteil, der Widerstand soll trotzdem weiter gehen

Genugtuung bei den Castorgegnern im Wendland: Das Bundesverfassungsgericht hat gestern die Rechte von Bürgern gegen die Atomwirtschaft gestärkt. Die Karlsruher Richter ließen Klagen von Anwohnern gegen die Atommülltransporte nach Gorleben zu. In der Vergangenheit hatte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg eine solche Klagebefugnis verneint. Das werteten die Verfassungsrichter nun als Verstoß gegen Grundrechte.

Im konkreten Fall hatte das OVG die inhaltliche Überprüfung der Klagen von zwei Anwohnern der Transportstrecke gegen den Castortransport vom November 2003 verweigert. Die Kläger selbst erfuhren gestern erst durch Journalisten von ihrem juristischen Erfolg und nahmen dazu noch keine Stellung. „Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für das OVG“, sagte Thomas Breuer, Chef der Klima- und Energieabteilung bei Greenpeace. „Endlich können sich Bürger auch rechtlich gegen die unzureichend gesicherten Atomtransporte wehren.“

Der Linken-Landtagsabgeordnete Kurt Herzog, der selbst in Sichtweite der Castorstrecke wohnt und gegen den jüngsten Castortransport im vergangenen November geklagt hat, freute sich über das Urteil. „Für mich ist das ein Einbruch in die Mauer des OVG Lüneburg“, sagt er. „Der Erfolg war bitter nötig.“ Für die Anwohner sei es jetzt möglich, sich auch mit Klagen gegen die Transporte zu wehren.

Karlsruhe habe den vorausgegangenen Gerichtsentscheidungen „eine deutliche Rüge erteilt“, so Francis Althoff, Sprecher der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Nun sei höchstrichterlich konstatiert worden, „dass der Schutz der Bevölkerung Vorrang vor dem Schutz reiner Finanzinteressen der Atomwirtschaft haben muss“.

Das Bundesverfassungsgericht hat gestern ein „spezifisches Gefährdungspotenzial bei der Beförderung von Kernbrennstoffen“ konstatiert. Atomwirtschaft und Bundesregierung, über die das Bundesamt für Strahlenschutz die Transporte genehmigt, sind nun in der Pflicht, die Notwendigkeit der Fuhren wasserdicht zu begründen und deren Ungefährlichkeit nachzuweisen. Vom Tisch sind die Transporte mit dem Karlsruher Urteil natürlich nicht. Lautstarker Protest – so die Atomkraftgegner – werde auch weiterhin nötig sein, um die Transporte zu stören, die Atommüllverschieberei durch halb Europa anzuprangern. REIMAR PAUL

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