BERLINER PLATTEN
: Auf dem Weg von Halbberühmtheiten zu neuem Ruhm: Sven van Thom will endlich weg vom Sofaplaneten, und Ex-Funkstörung-Mann Chris de Luca tanzt weiter als CLP

Auf den ersten Blick scheint es so, als verbände Sven van Thom und Chris de Luca nichts. Der eine kommt vom radiotauglichen Gitarrenrock, der andere aus der tanzbodenfähigen Elektronik. Doch eines haben sie gemeinsam: Beide waren einmal in halbberühmten Bands unterwegs und kämpfen nun – der eine spielerisch, der andere schon fast verzweifelt – gegen die sich daraus ergebenden Erwartungshaltungen.

Sven van Thom ist dabei ein Teil seiner Vergangenheit so peinlich, dass er ihn in der offiziellen Werbe-Eloge zu seinem Debütalbum „Phantomschmerz“ totschweigen lässt. Unerwähnt bleibt, dass van Thom, der eigentlich Sven Rathke heißt, dereinst in einer Band namens Sofaplanet sang: Ja genau, das waren die mit diesem Song namens „Liebficken“. Das Problem: „Liebficken“ war nicht repräsentativ für die Band, eher ein juveniler Witz, der versehentlich ein Hit wurde und Sofaplanet zum klassischen One-Hit-Wonder machte, das niemals an diesen Erfolg anknüpfen konnte. Frustriert konzentrierte man sich auf das Nebenprojekt Beatplanet, erforschte ehrfürchtig die Sixties und wurde die Schatten der eigenen Vergangenheit doch nicht los.

Als Sven van Thom wagt Rathke nun einen Neuanfang und mit „Trauriges Mädchen“ gelang bereits ein Achtungserfolg. Das hübsch eingängige Duett mit der Hamburger Sängerin Synje Norland wurde von einem Privatsender gepusht und eröffnet nun das Album. Auf dem finden sich Lieder, die textlich nicht doof und manchmal sogar recht hintersinnig um das Thema Liebe kreisen. Gilt doch: „Gefühle sind Säue.“ Zusätzlich gönnt sich der Dichter auch einige Anspielungen an die Popkultur: „Jeanette“ sorgt sich um abgehalfterte Daily-Soap-Darstellerinnen und fährt dazu schmalztriefende Geigen auf: „Sie war beliebt und verhasst / Ein Idol, eine Last.“ Ironisch soll das sein, ebenso wie der große Teil der restlichen Songs und auch der stets leicht emotionslos hingeschnodderte Gesang von van Thom. Das Ergebnis ist nett, allerdings halt auch eher harmlos. Es wirkt ein wenig, als wäre Sven van Thom sitzen geblieben in der Hamburger Schule.

Christian de Luca dagegen hat einen Summa-cum-laude-Abschluss gebaut als Remixer und Produzent. Als eine Hälfte von Funkstörung durfte er Stücke von Björk, dem Wu-Tang Clan oder Jean Michel Jarre veredeln. Seit dem Ende des Duos 2006 arbeitet er nun mit Carsten Aermes (alias Phon.o) unter dem Namen CLP zusammen und zerlegt nicht mehr Hiphop in seine Einzelteile: Stattdessen programmierten die beiden für „Supercontinental“ technoide, schwerblütige, aber meist tanzbare Beats, zu denen dann Rapper ihre Reime beisteuern sollten. Doch statt wie gewohnt alte Bekannte und/oder Prominente zu fragen, machten sich CLP im weiten Myspace-Universum auf die Suche nach neuen Talenten. Und fanden u.a. eine 16-jährige Rapperin aus Mississippi oder einen in Schweden lebenden Südafrikaner. Diesen Stimmen, den fein ziselierten Dance-Tracks von CLP und nicht zuletzt dem Netz sei Dank für das spannendste Hiphop-Album seit langem. THOMAS WINKLER

Sven van Thom: „Phantomschmerz“ (Starwatch/Warner), live 4. 2., Admiralspalast, 17 €

CLP: „Supercontinental“ (Shitkatapult/MDM) live heute im Kino International, 23 Uhr