„Er sät Zündstoff in die Dörfer“

Mit seinen vagen Empfehlungen zur Koexistenz von Gen- und traditionellem Anbau hat EU-Landwirtschaftskommissar Fischler den Zorn von Bauern und Umweltschützern auf sich geladen. Sie hoffen nun auf eine Novelle des deutschen Gen-Gesetzes

von HANNA GERSMANN

„Bei Gen-Kummer / wähle diese Nummer!“ – mehr als Sarkasmus hatte Heike Moldenhauer, die Gentechnik-Expertin des BUND, für die von EU-Agrarkommissar Franz Fischler am Mittwoch vorgestellten Leitlinien zum Nebeneinander von Gentech- und herkömmlichen Pflanzen gestern nicht übrig. Fischler hatte unter anderem eine Telefon-Hotline vorgeschlagen, bei der sich Bauern rund um die Gentechnik Rat einholen könnten. Sonst blieb er vage. Wie der BUND sind auch Ökobauern empört.

Der Agrarkommissar überlässt den EU-Mitgliedern, wie sie die Koexistenz von konventioneller und Gentech-Landwirtschaft regeln wollen. Begründung: Zu unterschiedlich sei die Agrarstruktur von Finnland bis Griechenland. Hubert Weiger, agrarpolitischer Sprecher des BUND: „Vom Treckersitz bis zur Spritzdüse regelt die EU alles, geht es aber um den Schutz der Bauern und Verbraucher, zieht sie sich plötzlich aus der Affäre.“ Die Angst der Gentechkritiker: Bald finden sie vom Wind verwehte oder von Bienen verschleppte Genpollen auf allen Äckern. 80 Prozent der deutschen Bauern lehnen Gen-Getreide ab. Weder sie noch die Verbraucher hätten die Wahl.

Fischler „sät Zündstoff in die europäische Landwirtschaft“, meint der Bioland-Vorsitzende Thomas Dosch. Konflikte zwischen Bauern, die Gentech einsetzen, und denen, die das nicht wollen, zwischen Ländern mit strikten Verordnungen und solchen ohne seien programmiert. Es müsse klar geregelt werden, wer für den Genflug hafte.

Für Ökobauern ist das von besonderer Bedeutung: Bisher garantieren sie ihren Käufern, Gentech-frei zu produzieren. Nun befürchten sie, ihre Ware nicht mehr absetzen zu können. Und schlimmer: Kanadische Ökobauern, die auf ihren Feldern Genpollen fanden, verklagten den Hersteller Monsanto. Zahlen aber mussten sie. Der Agrarkonzern hatte den Spieß umgedreht, den Bauern vorgeworfen, sein Saatgut illegal zu nutzen.

BUND und Bioland setzen auf Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne). Die will das Gentechnikgesetz novellieren, der Entwurf soll im Herbst kommen. Allerdings ist mehr als fraglich ob Künast die Forderung der Genkritiker – Haftung regeln! Schutzzonen einrichten! Kontrollen garantieren! – durchsetzen wird. Vor einem knappen halben Jahr hatte Fischler bereits deutlich gemacht, dass den Gen-Bauern nicht zu viel aufgebürdet werden dürfe. Das verstoße gegen das Freiheitsprinzip.

Warum sich Fischler, der doch gerade die Agrarrefom durchboxte, bei der Gentechnik so zurückhält? „Die EU-Kommission ist eingeknickt vor dem Druck der Gentech-Industrie, Konzernen wie Monsanto, Syngenta oder Aventis. Und vor den wirtschaftlichen Interessen der Amerikaner“, so Weiger und Dosch. Tatsächlich klagen die USA vor der Welthandelsorganisation, weil die EU seit Jahren keine Genpflanzen mehr zulässt. Das allerdings, so beschlossen die EU-Agrarminister vor zwei Tagen, soll sich noch dieses Jahr ändern.