Schnitt ins Netzwerk

Schweinswale in Nord- und Ostsee sollen besser geschützt werden. EU-Kommission beschließt stufenweises Verbot der Treibnetzfischerei

Den höchsten Preis für Fischstäbchen zahlen die Schweinswale – mit ihrem Leben

aus HamburgSVEN-MICHAEL VEIT

„Endlich“, sagt Stefan Bräger, „endlich wird sie verboten.“ Die Treibnetzfischerei, die Jahr für Jahr Schweinswale tötet. „Wände des Todes“ nennt der Meeresexperte des Internationales Tierschutz-Fonds (IFAW) die kilometerlangen Nylongespinste, in denen vor norddeutschen Küsten jährlich mindestens 7.000 der kleinen Meeressäuger ertrinken.

Nun hat die EU-Kommission in Brüssel Mitleid mit Flippers kleinem Vetter: Ein gestern vorgelegter Verordnungsentwurf sieht zunächst die stufenweise Einschränkung der Treibnetzfischerei in der Ostsee und ab 2007 deren Verbot vor. Die Vorlage muss noch vom Ministerrat gebilligt werden, bevor sie in Kraft treten und die eigenen Verpflichtungen aus der elf Jahre alten Habitat-Schutzvorschrift erfüllen kann.

„Ein erster Erfolg“, freut sich dennoch Heike Vesper, Fischereiexpertin des World Wide Fund for Nature (WWF). In der Ostsee zu verbieten, was zum Beispiel im Mittelmeer längst untersagt ist, sei nichts weniger „als lange überfällig“. Fraglich ist für Vesper allerdings, „wie das kontrolliert werden soll“. Denn in der der ersten Stufe sieht die EU-Kommission eine Begrenzung der Treibnetze auf eine Breite von 2.500 Meter vor. Es gäbe aber Fischer, weiß Vesper, „die stellen fünf nebeneinander, und dann haben wir wieder den alten Zustand“. Von den „tödlichen Gardinen“, wie Vesper sie nennt, gibt es nämlich reichlich: Allein die Netze der dänischen Fangflotte sind 10.000 Kilometer lang.

Deren Nylonmaschen können die Schweinwale mit ihrem Sonarsystem nicht orten, umso besser aber die darin zappelnden Fische, auf die auch sie es abgesehen haben. Statt Beute zu machen, verheddern sie sich in den Netzen und ertrinken nach minutenlangem Todeskampf. Als unerwünschter „Beifang“, den die Fischer wieder ins Meer zurückwerfen, zahlen die einzigen heimischen Wale somit den höchsten aller Preise für Fischstäbchen und Räuchermakrelen. Ihr Massensterben habe eine „artbedrohende Dimension erreicht“, warnte Ende der 90er Jahre der WWF: „Der Schweinswal steht vor dem Aussterben.“

Nicht zuletzt auch wegen der Stellnetze, mit denen die Fischereiindustrie den Meeresboden vornehmlich in der Nordsee seit Jahrzehnten einzäunte. Die aber werden von der EU-Verordnung nicht erfasst, kritisieren Vesper und Bräger übereinstimmend. Die Stellnetze sollen lediglich, so sieht es die EU vor, mit so genannten Pingern ausgerüstet werden. Diese handlichen Geräte senden Warnsignale aus, welche die Kleinen Tümmler abschrecken sollen. In Versuchen sei dies durchaus erfolgreich gewesen, aber auch hier stellt sich für Vesper die Frage der Überwachung: „Denn ob die angebrachten Pinger ordnungsgemäß funktionieren, ist so gut wie nicht zu kontrollieren.“

Allerdings sei dieses Problem nicht mehr so groß, wenngleich aus einem zynischen Grund. Die Nordsee sei bereits „so leer gefischt“, stellt die WWF-Expertin nüchtern fest, „dass da ohnehin kaum noch jemand Netze aufstellt.“