Windenergie: Sauber ohne Ende?

Windenergieanlagen werden immer leistungsstärker. Dabei spielen spezielle Materialien eine wesentliche Rolle. Doch die Entsorgungsfrage der aus so genannten Glasfaserverbundwerkstoffen hergestellten Rotoren gilt es noch zu klären

„Wir müssen zu Materialien kommen, die kompostierbar sind“

von DANIEL HAUTMANN

Die brandenburgische Kleinstadt Lauchhammer, 140 Kilometer südlich von Berlin, hat Tradition in Sachen Energie – noch zu DDR-Zeiten wurden hier Braunkohlebriketts gepresst. Heute brüstet sich das Städtchen mit der Firma Vestas, die hier ihre Rotoren für Windräder der Zwei-Megawatt-Klasse baut. Innerhalb von drei Monaten spielt so ein Windrad die Energie ein, die zu seiner Herstellung gebraucht wird. Das klingt wie die Lösung unserer Energieprobleme, hat aber einen bisher wenig beachteten Haken: Wohin mit den ausrangierten Kraftwerken?

Europaweit war Ende 2002 eine Windkraft-Leistung von 23.250 Megawatt installiert, auf Deutschland entfielen 12.823 und auf Hamburg 26,2 Megawatt. Eine Studie der BTM Consult ApS geht davon aus, dass bis Ende 2006 in Europa 55.000 Megawatt installiert sein werden. Bei einer durchschnittlichen Leistung von 1,5 Megawatt entspräche das knapp 37.000 Windrädern, dem dreifachen dessen, was sich zurzeit für deutsche Steckdosen dreht. Allein aus den Rotoren entstünde eine Million Tonnen Abfall.

Und hier liegt das Problem: Während sich Stahl, Beton und Kabelage der Windkraftanlagen problemlos recyceln lassen, gibt es für die aus Glasfaserverbundwerkstoffen (GFK) bestehenden Rotoren noch keinen befriedigenden Entsorgungsweg. „Das Problem muss noch gelöst werden“, bestätigt Henry Seifert vom Deutschen Windenergie-Institut (DEWI).

GFK sind Verbindungen aus einer Glasfasermatte und Kunstharz, im Rotorbau vornehmlich Epoxyharz. Die Mitarbeiter von Vestas verwenden vorgefertigte Matten, die bereits mit Gießharz getränkt sind. In Schichten übereinandergelegt, werden sie zu aerodynamisch ausgefeilten Flügeln von 300 Quadratmeter Fläche und 6,5 Tonnen Gewicht aufgebaut.

Ausrangierte Flügel werden heute hauptsächlich „downgegraded“: Sie werden geschreddert und zu minderwertigeren Teilen verbaut, zu Lärmschutzwällen beispielsweise. Auch werden kleingemahlene GFK-Schnipsel im Straßenbau eingesetzt. Selbst in der Stahlherstellung findet GFK Verwendung, als Reduktionsmittel für Eisenerze.

Eine andere Möglichkeit ist die Verbrennung. Da Kunstharz exzellent brennt, muss keine Energie zugeführt werden. Im Gegenteil, aus den Flügeln wird Energie gewonnen. Nach Aukunft von Henry Seifert gibt es dabei aber ein Problem: „Die Filter der Verbrennungsanlagen verstopfen.“ Außerdem, unterstreicht Rolf Gros vom Bundesfachausschuss Energie, Abfall, Chemie, entstehen bei der Verbrennung von GFK viele Gifte, zum Beispiel Dioxin. Ungiftig, so Manfred Prügel vom Hamburger Naturschutzbund, wäre eine Trennung von Harz und Glasfasern mitttels Pyrolyse – die Zersetzung chemischer Verbindungen durch Einwirkung höherer Temperaturen. Durch den hohen Glasfaseranteil allerdings ist die energetische Ausbeute im Vergleich zur Verbrennung sehr gering. Es entstehen Pyrolysegas und -öl, die ihrerseits wieder verbrannt oder mit einigem Aufwand zu Kunststoff weiterverarbeitet werden können. „Dieses Verfahren ist keine wirkliche Lösung“, sagt Rolf Gros. Er nennt als akzeptable Endlagerungsvariante das Einbetonieren.

Sven Teske, Spezialist für Energiefragen bei Greenpeace, sieht die Zukunft dagegen in organischen Fasergeweben. „Wir müssen mittelfristig zu Materialien kommen, die kompostierbar sind“, sagt Teske. Und die den hohen Anforderungen genügen können: Waren Anfang der neunziger Jahre noch Rotordurchmesser von 30 Metern üblich, sind heute 100 Meter keine Seltenheit mehr. Tendenz steigend. Da die Antriebsflügel extremen Belastungen ausgesetzt sind, muss entsprechende Festigkeit garantiert sein. Schließlich erreichen die Rotorenden Geschwindigkeiten von 400 Stundenkilometern und mehr. Forscher arbeiten an kompostierbaren Fasermaterialien, die die auftretenden Kräfte aushalten. Bis diese jedoch auf den Markt kommen, werden Jahre vergehen.

Die Hersteller scheinen sich bislang recht wenig um das Recyclingproblem zu sorgen. „Bisher gibt es noch nicht so viele Fälle. Die Anlagen werden abgebaut, was wieder verwendet werden kann, wird wieder verwendet, zu den GFK-Teilen kann ich nichts sagen“, so Vestas-Pressesprecherin Suzanne Thomas. Dieses Versäumnis könnte sich als fatal erweisen. Schließlich wird mit dem Verkauf der Anlagen auch der Abbau vertraglich vereinbart. Das schließt die Entsorgung ein, die bereits bei den kleinen Anlagen der 600-Kilowatt-Leistungsklasse mit rund 30.000 Euro zu Buche schlägt. Schon die Billig-Entsorgung auf einer Deponie kostet rund 500 Euro je Tonne GFK.