Die Inszenierung des Privaten

Das wohl aufregendste Familiendrama der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: In einer beeindruckenden Ausstellung zeigt die Galerie Camera Work über 600 Fotos sowie Dokumente und Objekte, die Aufstieg und Fall der Kennedys dokumentieren

VON BRIGITTE WERNEBURG

Die Zeitungsberichte über ihre ausgedehnte Mittelmeerkreuzfahrt auf der Luxusyacht von Aris Onassis hatten der Popularität ihres Mannes geschadet, war ihr bedeutet worden. Sie war ihm also ihre Begleitung auf dieser Wahlkampfreise schuldig. So standen die Dinge im November 1963, als John F. Kennedy und seine Frau Jacqueline in Dallas eintrafen. Die Fotografien der Ausstellung „The Kennedys“ in der Galerie Camera Work zeigen dies nicht. Sie können es nicht zeigen. Eines allerdings machen sie ganz deutlich: Jackie, wie er – und inzwischen schon die ganze Welt – seine Frau nennt, ist sein politisch größtes Kapital. John F. Kennedys glänzt am meisten, wenn er gemeinsam mit ihr auftritt. Ihre elegante modische Erscheinung und ihr eigenwilliges Auftreten an seiner Seite lassen ihn als den modernen Politiker erscheinen, als der er gerne gesehen werden möchte. Mit ihr an seiner Seite ist er der Präsident, der Partei-, Klassen- und Rassengrenzen transzendiert und die große Zukunft der Vereinigten Staaten von Amerika vertritt.

Unglaubliche 600 Fotografien werden in der Ausstellung präsentiert, die Elke Niemann, Leiterin von Camera Work, in eineinhalbjähriger Vorbereitungszeit zusammengetragen hat. Dazu kommen Dokumente und Objekte wie ein schwerer Lederkoffer, der John F. Kennedy auf seinen Reisen begleitete, die Trophäen gewonnener Segelrennen samt dem dazugehörigen privaten Fotoalbum oder die Hermès-Aktentasche aus Krokodilleder, die er sich schon als Student leistete und die er sein Leben lang bei sich trug.

Doch es geht nicht nur um John F. Kennedy. Auch sein jüngerer Bruder Robert, der als Präsidentschaftskandidat der Demokraten Johns Erbe weiterführen sollte, bis auch er einem Attentat zum Opfer fiel, ist in die Ausstellung mit eingeschlossen, die fast museale Qualität für sich in Anspruch nehmen kann. Es sind ja die Ambitionen und Geschicke der Kennedys, des Clans, dessen Aufstieg und Fall zum aufregendsten Familiendrama in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde, wie der Historiker Alan Posener schreibt.

In fünf Räumen lassen sich die einzelnen Akte dieses Dramas in den Bildern der bekanntesten Fotografen der Zeit wie Cornell Capa, Jacques Lowe, Robert Frank, Robert Lebeck oder Guido Mangold verfolgen. „Der Aufstieg“, „Der Kandidat“, „Die Präsidentschaft“, „Der Abschied“, der Zeitraum, in dem Robert F. Kennedy ins Spiel kommt, und schließlich noch einmal die „Highlights“ machen die einzelnen Stationen aus. Auffällig, wie groß der Anteil der Fotografien aus dem Freizeit- und Familienleben der Kennedys ist. Das gilt besonders für John und Jackie Kennedy. Privat sind sie wie zwei Eisberge, wie Jackie es einmal beschrieb. Politisch aber, ergänzt Posener dieses Zitat, „sind sie das perfekte Paar“. Um den Schein zu wahren, es gelte auch im privaten Leben was sich im öffentlichen zeigt, sorgt John stets dafür, dass ein Hoffotograf dabei ist, wenn er sich mit der Familie trifft.

Interessant ist das Lieblingsfoto John F. Kennedys. Ganz allein, mit dem Rücken zur Kamera, hat ihn Mark Shaw am Strand fotografiert. Ohne Politik, ohne Familie. Ohne die Ehefrau, die ihn zunächst gesellschaftlich und dann auch imagemäßig machte, und ohne die Männer in wichtigen Stellungen, die der Schlüssel zu seinem Aufstieg waren. Überhaupt verfielen die Männer seinem Charme noch leichter als die Frauen.

Interessant ist auch zu sehen, wie wenig dagegen das Familienleben von Robert F. Kennedy hergibt. Wenn er und seine Frau Ethel gemeinsam mit den Kindern vor der Kamera auftreten, wirkt das eher befremdlich. Elf Kinder sind nicht mehr glamourös. Man meint, in einem anderen Jahrhundert zu sein. Robert F. Kennedy glänzt in der politischen Arena, am meisten im Umgang mit den schwarzen Bürgerrechtlern, den Armen und den Unterprivilegierten. Er wollte den Vietnamkrieg beenden, den sein Bruder ausgeweitet hatte. Wahrscheinlich ist sein früher Tod der tragischere, was die politische Entwicklung der Vereinigten Staaten anbelangt. Doch hier in Berlin, wo eine Ausstellung wie „The Kennedys“ historisch gesehen eine besondere Berechtigung hat, muss es einmal mehr John F. Kennedy – „Ich bin ein Berliner“ – sein, der im Mittelpunkt steht.

Dabei zeigt eines der interessantesten Bilder aus Berlin den damaligen US-Justizminister Robert F. Kennedy, wie er an der U-Bahn-Station Kochstraße dem Checkpoint Charlie seine Aufwartung macht. Nicht der Mann steht im Mittelpunkt des Bildes, eher die Menschenmenge, und merkwürdig genug, die städtische Situation, die Brandmauern der Häuser und das seltsam im Niemandsland verlorene U-Bahn-Zeichen prägen das Bild. Sie wirkt plötzlich sehr fern, die Zeit, in der „The Kennedys“ für Furore sorgten. Vielleicht auch deshalb, und nicht nur wegen der Fülle des Materials und des durchgängigen Schwarz-Weiß der Fotografien, hat die Ausstellung bei Camera Work diesen musealen Touch.

Bis 10. September, Kantstraße 149, Di.–Fr. 10–18, Sa. 10–16 Uhr, Eintritt 5 €, Katalogheft 9 €