Ich gehe meilenweit für eine Garage …

Berlin ist offenbar reich an Old- und Youngtimern. Das „Meilenwerk“, einst Europas größtes Straßenbahndepot, heute Edelremise de luxe, bietet Liebhabern klassischer Motorisierung ein Heim und Autoclubs ein Vereinszentrum

Mal angenommen, man nennt einen Mercedes-Benz 290 Cabriolet D sein eigen. Dann hat man zwar ein schönes Auto, aber auch ein großes Problem: das Parken. Ein Baujahr 1935 stellt niemand einfach auf die Straße, und in der Tiefgarage fährt der Nachbar den Kotflügel ab. Wohin also mit dem Liebling?

Oldtimerbesitzer würden ihre Karosse am liebsten in die Glasvitrine stellen – vollklimatisiert, versichert, inklusive 24-Stunden-Wachdienst. Und weil das „Meilenwerk & Forum für Fahrkultur“ genau solche gläsernen Einstellboxen vermietet, sind selbstverständlich alle 90 Plätze ausgebucht, die Zahl der Wartenden liegt im 3-stelligen Bereich. „Die Leute haben ihre Schmuckstücke teilweise jahrelang in Handarbeit restauriert. Schäden wären also eher emotional schwer zu verkraften“, sagt „Meilenwerk“-Chef Martin Halder.

Sicherheit und Pflege und trotzdem den glänzenden Oldtimer der Öffentlichkeit präsentieren können – dafür haben Halder und zwei weitere Privatinvestoren das ehemalige Straßenbahndepot in der Moabiter Wiebestraße für 10 Millionen Euro zu einem Zentrum für Oldtimer und Liebhaberfahrzeuge umgestaltet. Ein Hort „für alle, die Benzin im Blut haben“, verspricht der Prospekt. Neben den Einstellboxen gibt es sechs Restaurierungswerkstätten, Oldtimerhändler und -vermieter, Zubehörshops, Gutachter und zwei Restauraunts.

„Ein Domizil für historische Autos muss ein Baudenkmal sein“, so Halder. In der ganzen Bundesrepublik haben sie damals nach einer passenden Immobilie gesucht und sich dann vor drei Jahren für das alte Depot entschieden. Zu Kaisers Zeiten bot das Renommierobjekt Unterstand für bis zu 300 Straßenbahnwaggons auf 22 Gleisen – das größte Straßenbahndepot Europas. Doch 60 Jahre später, als die Straßenbahn aus Westberlin verschwand, wurde auch das Depot überflüssig. Eine Zeit lang demontierte man noch Waggons, dann dienten die Hallen als Lager, und schließlich standen sie ganz leer. Anfang der 90er-Jahre wurde das Gebäude mit Fördergeld für Künstlerateliers und Austellungsflächen provisorisch saniert – bis die Statiker kamen und ihr Urteil fällten: Nach den Regeln der Kunst und Sicherheit hätten diese Hallen eigentlich nie gebaut werden dürfen.

Einsturzgefährdet und baupolizeilich abgesperrt standen sie wieder 8 Jahre lang leer, und das Land Berlin wollte diesen Klotz endlich irgendwie loswerden. Als Martin Halder schließlich mit seiner Idee vom Oldtimer-Zentrum um die Ecke bog, wurde er mit offenen Armen empfangen. Das Land versprach „administrative Unterstützung“ bei der Pirsch durch den Behördendschungel, und die war bitter nötig. „Wir sind kein Einkaufszentrum, keine Werkstatt und auch kein Museum. Wir sind alles zugleich“, sagt Halder.

„Nutzungsorientierte Immobilie“ nennt er das Konzept. Ein Thema, ein Dach, fertig ist die Laube. Und damit sich die Mieter im „Meilenwerk“ nicht gegenseitig kaputtkonkurrieren, gibt es im Meilenwerk nur jeweils eine Werkstatt und einen Oldtimerhändler pro Land.

Ein Spinner sei er nicht, auch kein Autonarr oder „reicher Dandy“, sagt Halder. Wirtschaftsberater denken ökonomisch. Und so macht er auch keinen Hehl daraus, dass es sich beim Meilenwerk um ein „streng ökonomisch orientiertes Projekt“ handelt. Die Marktanalyse belegt: In Berlin gibt es etwa 15.000 Oldtimer und noch viele „Youngtimer“, Kultautos, die noch keine 30 Jahre alt sind. Hinzu kommen 65 markenübergreifende Vereine und Clubs, von denen inzwischen 17 im Meilenwerk Unterschlupf gefunden haben – mietfrei, „weil sie für die Szene von unschätzbarem Wert sind“, reichlich und reiches Potenzial für Halder. JAN ROSENKRANZ