PRÄSIDENT DER EU-KOMMISSION: STARKE PERSÖNLICHKEIT UNERWÜNSCHT
: Barroso wäre ein Armutszeugnis

Niemand bestreitet, dass die EU-Kommission für die nächsten fünf Jahre einen starken Chef braucht. Zehn neue Mitgliedstaaten müssen die Standards weiterhin einhalten, die sie beim Beitritt zugesagt haben. Mit Bulgarien, Rumänien, Kroatien und wahrscheinlich auch der Türkei stehen Verhandlungen an. Auch die interne Reform des Kommissionsapparats, die unter Romano Prodi gestartet wurde, ist längst nicht abgeschlossen. Dass man dazu Erfahrung im europäischen Milieu braucht, haben Prodis Fehlschläge gezeigt.

Nun soll also der portugiesische Premier Barroso – in Brüssel ein unbeschriebenes Blatt – ihn beerben. Dass er das richtige Parteibuch hat und noch nicht zwischen widerstreitenden Interessen zerrieben worden ist, befähigt ihn noch nicht zum fähigen Manager der EU-Schlüsselinstitution. Barroso ist noch unbeschädigt, weil ihn bis vor kurzem keiner als Kandidaten in Erwägung zog.

Der Neue muss ein begnadeter Kommunikator sein, um 25 unterschiedliche politische Kulturen und Rechtstraditionen in seinem Apparat miteinander zu versöhnen. Dem Luxemburger Premier Jean Claude Juncker hätte man das zugetraut. Er hätte den Posten auch bekommen – weil er das richtige Parteibuch hat und aus einem kleinen Land stammt. Sein Ruf als exzellenter Manager und seine starke Ausstrahlung waren für die anderen Regierungschefs jedoch eher ein Handicap.

Denn die Regierungen wollen gar keinen starken Kommissionspräsidenten. Er soll seine Aufgabe effizient meistern, dabei aber möglichst wenig Profil entwickeln. Sollte bei der nächsten Kür in fünf Jahren die Europäische Verfassung in Kraft sein, hätte das EU-Parlament das letzte Wort. Da es zunehmend mit der Kommission zusammen in einer Mannschaft gegen die Regierungen spielt, kommt dann vielleicht ein überzeugender Vorschlag auf den Tisch. Voraussetzung wäre, dass die Parteien bereits im Vorfeld Koalitionen bildeten, um die Beste oder den Besten zu benennen. Die taktischen Spielchen der konservativen Partei haben die Kandidatenauswahl dieses Mal wahrlich nicht verbessert. DANIELA WEINGÄRTNER