Ein echter Sympathiekiller: die Kopfpauschale

Die CDU will das Gesundheitssystem mithilfe der Kopfpauschale reformieren. Die CSU aber nicht. Dabei hat der jüngste Entwurf – Gesundheit für 180 Euro im Monat – schon viele mächtige Freunde gefunden. Nur die Versicherungskonzerne sind nicht dabei

BERLIN taz ■ Horst Seehofer hat als CSU-Gesundheitsminister unter Helmut Kohl eines gelernt. Zwar versteht kein Mensch, wie das Gesundheitssystem funktioniert. Aber wenn man eine Reform macht, sind die Leute so sauer, dass man abgewählt wird.

Die Kopfpauschale hat Seehofer, Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, einen „Sympathiekiller“ genannt. Damit brachte er die Sache auf den Punkt – nicht nur, weil die Kopfpauschale das Verhältnis zwischen CDU und der kleinen bayerischen Schwesterpartei gerade schwer auf die Probe stellt.

Wenn die CDU bei ihrem Parteitagsbeschluss bleibt und Parteichefin Angela Merkel die Kopfpauschale zum Gegenstand der Wahlkämpfe bis zur Bundestagswahl 2006 machen will, wird sie eine Menge erklären müssen. Etwa warum sie ein System der Beitragszahlung zerschlagen will, das vor allem bei den weniger gut Verdienenden große Akzeptanz genießt. Das ältere Ehepaar, das von 1.400 Euro Rente lebt, ist erst einmal erschrocken, wenn es hört, dass jetzt jeder von ihnen 180 Euro zahlen soll – statt bisher zusammen 100 Euro.

Merkels wichtigster Mann ist deshalb der Hannoveraner Finanzexperte Stefan Homburg. Er hat das jüngste und bislang tragfähigste Konzept zur Kopfpauschale erarbeitet. Auch das Modell, das der bisherige Kopfpauschalen-Papst Bert Rürup Mitte Juli vorstellen will, wird davon nicht wesentlich abweichen.

Homburgs Modell sieht so aus: Die Arbeitgeberhälfte des Kassenbeitrags wird als Lohn ausgezahlt und versteuert. Erwachsene zahlen 180, Kinder 90 Euro – die allerdings kommen aus dem Steuertopf. Homburg gibt die Gewähr dafür, dass die Pauschale nicht nur finanzierbar ist, sondern auch bei Schlechtverdienern ankommt: Keiner soll mehr als 14 Prozent vom Bruttoeinkommen zahlen müssen. Andernfalls wird er aus Steuern bezuschusst.

Nun war das Hauptargument der CSU – und von Rot-Grün – gegen die Pauschale bislang, dass es niemals die nötigen Steuermilliarden für die Subventionierung von Millionen Haushalten geben werde. Homburg ist es gelungen, die Belastungen so hin und her zu schieben, dass die Finanzierungslücke auf 7 Milliarden Euro geschrumpft ist – „und die finden wir auch noch“, sagt er. Er ist überzeugt, dass das Vertrauen in einen steuerfinanzierten Sozialausgleich so groß ist wie in die soziale Umlage im Beitragssystem: „Warum sollten Beitragseinnahmen stabiler sein als Steuereinnahmen?“ Er räumt der Bürgerversicherung keine Chancen ein. „Das heutige System stirbt – aber ich wette gegen jeden, dass die Bürgerversicherung niemals im Gesetz stehen wird“, sagt er.

Allerdings kommen auch die Kopfpauschalen-Fans – der größte Teil der Wirtschaft und die meisten Tonangeber in den Medien – nicht daran vorbei, sich mit den Versicherungskonzernen anzulegen. Denn die Kopfpauschale ist für alle attraktiv, die mehr als 180 Euro Prämie zahlen und auf die bessere medizinische Versorgung bei den Privaten gerne verzichten. Das jedoch sind die wichtigsten Kunden der Privatversicherer.

ULRIKE WINKELMANN