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urdrüs wahre kolumneIm vollen Bierernst

So vieles, zu dem sich plappern, poltern und bloggen ließe diese Woche: Da wäre die Hexe aus Franken, dieses blonde Schäfflergift. Die ganze Villa voll mit Winterreifen unserer schönen hannöverschen Conti und schon ausgeguckt, welcher arbeitslose Gummimann ihr künftig den Gärtner machen kann – und jetzt nach dem Schutzschirm rufen! Da wäre die erschütternde Erkenntnis, dass es gar nicht die Pantoffeln des edlen Störtebekers sind, die im Ostfriesischen Landesmuseum vor sich hinmüffeln, sondern die Hausschuhe des Echolot-Poeten Walter Kempowski aus dem Schulmeisterhäuslein zu Nartum.

Und unvermeidlich selbstredend ein Wort des tröstenden Zorns zu den leukämischen Opfern des Atomlagers in der Asse und zur Herzlosigkeit des hamburgischen Innensenators gegenüber den Folteropfern von Guantánamo. Unbedingt hätte der Karriere-Tipp hierher gehört, dass die Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg wieder Bewerber als Rothäute und weiße Kavallerie suchen. Geahndet werden müsste natürlich auch, dass der Verein Hamburger Motorradgottesdienst sich künftig noch stärker um finanzielle Unterstützung für seine Götzen-Rituale um die PS-Kälber bemühen will: Rettet die Klingelbeutel vor diesen Heavy Metal-Satanisten!

Das alles aber muss außen vor bleiben, denn ich bitte ganz Bierdeutschland, diese Botschaft zu hören, zu verbreiten und die Waffen zu schmieden, solange die Stammwürze noch kräftig ist: Ein kräftig Pfui auf das globale Malzverschiss-Unternehmen Inbev als Beispiel für das herzlose Antlitz des Monopolkapitalismus in der Vernichtung heimatlicher Trinkkultur! Müsste man Inbev als menschliches Gesicht darstellen, so kämen für diese Collage nur die abgrundtief gemeinen und destruktiv lächelnden Masken der Herren Barnabas Schill, Dieter Bohlen, Hartmut Mehdorn, Friedrich Merz, Guido Westerwelle und Josef Ackermann gelegen, verbunden mit einem Spritzer Putin und für hohe Feiertage mit einem vergorenen Hauch von Berlusconi, J. R. Ewing oder Al Capone.

Jetzt sollen bei Beck’s in Bremen gleich 65 verdiente Brauknechte in den Gully gespült werden, nachdem man schon vor Jahr und Tag die edelärschigen Rösser des Hauses zur künftigen Pferderoulade bestimmte und sich heute bei der Gildebrauerei in Hannover anschickt, das Sudhaus zu schließen und selbst das vertraut-proletarische Lindener Spezial in das Obdachlosenheim am Oettingerweg in Holsten-Warstein zu schicken und die Braumeister, Bierkutscher und Zapfer gleich mit.

Darin manifestiert sich die Borniertheit eines Systems, das sich in komatösen Jauchen wie den so genannten Gold-Bieren mit und ohne Citrus-Dosage ergießt, aus souveränen Wirten Lakaien des Marketings gemacht hat und den Sud der Vollkommenheit mit Galle verquirlt, in Blech und Plaste einfasst.

Was noch bleibt, ist das Bier der Schaumburger Privatbrauerei, die Menschen zu erinnern an eine Zeit, als Hopfen und Malz noch nicht verloren waren – und es bleibt ebenso der ungezügelte Hass auf die Barbarei: „What have they done to my drink, Ma?“ Prost. Und noch was Klares drauf, Ihr Freunde der Redlichkeit! Fordert in allem Bierernst Ulrich „Gambrinus“ Reineking

ULRICH REINEKING, Globalisierungskritiker, Journalist und Kabarettist, will bei Hopfen und Malz retten, was zu retten ist.

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