BUCHTIPP

Frau im Berg

Seit alters üben die Berge eine unwiderstehliche Faszination aus. Bis weit ins 19. Jahrhundert blieb diese den Männern vorbehalten: Bergsteigen für Frauen stellte etwas Unerhörtes dar, wie uns Florence Hervé in dem Buch „Sehnsucht nach den Bergen. Schriftstellerinnen im Gebirge“ wissen lässt. In diesem Buch kommen Schriftstellerinnen aus verschiedenen Zeiten, Ländern und Gesellschaftsschichten zu Wort, und Bergtouren werden gleichsam zu Akten der Emanzipation.

So schildert Henriette d’Angeville, die erste Alpinistin der Welt, ihre Bewältigung der Gefahren von Eis, Gletscher und Lawinen beim Besteigen des Montblanc. George Sand beschreibt die Überwindung des sie „trunken“ machenden Schwindels „zwischen zerrissenen Felsmauern“ und Mary Shelley ihre Wanderung im Gebirge bei einem Gewittersturm, „diesem erhabenen Krieg des Himmels“. Und während in den Erinnerungen Natalia Ginzburgs die Berge als Symbol der Einsamkeit in der Verbannung fungieren, sind sie bei Lisa Fittko Symbol der Freiheit. Lisa Fittko war im Widerstand und Fluchthelferin in den Pyrenäen. Für zivilisationsmüde Künstler wird der Monte Verità ein Refugium der Stille, für Alfonsina Storni ist das Gebirge ein Ort des Spiels und der Geborgenheit und für Lavinia Greenlaw der Aufenthalt in den Bergen ein Auf-sich-zurückgeworfen-Sein. Der Berg immer eine gewaltige Projektionsfläche für weibliche Befindlichkeiten und Gefühle.

Insgesamt bietet die Anthologie literarische Kostbarkeiten und im Anhang prägnante Kurzbiografien der präsentierten Schriftstellerinnen. Der Sammelband besticht in der Beifügung wunderbarer, die breite Formenpalette der Bergwelt illustrierender Schwarz-Weiß-Fotos und trägt damit zur Sehnsucht nach den Bergen bei.

Zu empfehlen ist auch der zuvor erschienene Wort-Bild-Band mit ganzseitigen Farbfotos von Florence Hervé. Dort werden einfühlsam und informativ Frauen porträtiert, deren Leben eng mit den Bergen verknüpft ist und die in den Bergen jenseits des Idylls und der Romantik arbeiten, sei es als Hausdame im legendären Hotel Waldhaus im Engadin, sei es als Hüttenwirtin in der magischen Landschaft der Viertausender, sei es als Schäferin im französischen Jura oder als Gletscherforscherin. CHRISTINA PUSCHAK

Florence Hervé (Hg.): „Sehnsucht nach den Bergen. Schriftstellerinnen im Gebirge“. AvivA Verlag, Berlin 2008, 192 Seiten, 17,80 Euro Florence Hervé und Katharina Mayer: „Frauen und Berge“. modo Verlag, Freiburg 2006, 176 Seiten, 39,80 Euro