11.-september-bericht
: Eine sichere Welt wäre schrecklich

Die Untersuchungskommission des US-Kongresses zum 11. September 2001 hat ihren Bericht abgeliefert – eine lange Liste des geheimdienstlichen Scheiterns. Informationen werden nicht zusammengetragen, Hinweisen wird nicht nachgegangen, abgefangene Kommunikation kann mangels Dolmetscher nicht übersetzt werden. Ein Bild des Jammers, das die US-Geheimdienste und die Bundespolizei FBI dort abgeben.

Kommentar von BERND PICKERT

Bloß: All das war vor dem 11. September. Seither sind die Etats der entsprechenden Behörden längst aufgestockt worden, kein Terrorszenario erscheint zu abwegig, um ernst genommen zu werden, die US-Bevölkerung hat sich an die Ausrufung von „Code Orange“ gewöhnt und hält Plastikfolie und Klebeband bereit, um ihre Wohnungen gegen Chemiewaffenanschläge abzudichten. Es ist absurd: Noch selten hat ein regierungskritischer parlamentarischer Untersuchungsbericht einer Regierung so sehr genutzt wie diese 858 Seiten, die jetzt veröffentlicht wurden.

Doch die Vorwürfe mangelnder Kooperation sind leichtfertig: Denn wie würde eine Welt aussehen, in der Berichte und Fotos von einem Treffen in Malaysia, zusammen mit Jahre vorher entstandenen ungeprüften Namenslisten aus dem Nahen Osten dazu führen, dass ein kleiner Polizeiinformant in Los Angeles arabische Studenten als Terroristen verdächtigt? Wie viele unbescholtene Bürger aus aller Welt würden sich unter Terrorverdacht in den Guantánamos des Westens wiederfinden, um die ein oder zwei herauszufiltern, die wirklich Anschläge planen?

Das Schreckensbild von al-Qaida, dem weltumspannend im Geheimen operierenden Netzwerk des Terrors, lässt noch die ausgereiftesten Allmachtsfantasien staatlicher Sicherheitsfanatiker als gerade ausreichend erscheinen. Die Vorstellung, man müsse und könne tatsächlich im Voraus Terroranschläge wie die des 11. September verhindern, man müsse nur genügend Geld und Personal einsetzen, die – aus guten Gründen in den Demokratien der Welt bestehende! – Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei aufheben und letztlich auch beim Einsatz militärischer Mittel den Präventivgedanken voll zum Tragen kommen lassen, offenbart eine schreckliche Weltsicht. Bürgerrechte sind darin nur mehr hinderlich, Freizügigkeit ein Sicherheitsrisiko, Fremdes eine Gefahr. Man muss die tatsächlich von Terroristen ausgehende Bedrohung gar nicht gering schätzen, um in solch einer Welt lieber nicht leben zu wollen.