Vorsicht vor übereifrigen Hobbyfilmern

Wie weit darf Videoüberwachung gehen? Nach dem Anschlag in der Keupstraße warnen Datenschützer vor Beobachtung des öffentlichen Raumes durch Private. Staatsanwaltschaft hat noch nicht geprüft, ob Viva gegen den Datenschutz verstoßen hat

VON DIRK ECKERT

1,80 groß, T-Shirt, Sportschuhe, eng anliegende Hose, dunkle Baseballkappe – nach diesem Mann sucht die Kölner Polizei. Vielleicht ist der Mann, den eine Kamera in der Schanzenstraße gefilmt hat, ein wichtiger Zeuge, vielleicht sogar derjenige, der die Bombe in der nahen Keupstraße deponiert hat, die am 9. Juni über 20 Menschen zum Teil schwer verletzt hat.

Die Aufnahmen, die die Polizei mittlerweile auch ins Internet gestellt hat, stammen aus einer Überwachungskamera des Fernsehsenders Viva, der in der Schanzenstraße seinen Sitz hat. Offenbar hat diese nicht nur das Viva-Gelände, sondern gleich den ganzen Gehweg gefilmt. Im konkreten Fall hilft das möglicherweise der Polizei bei der Suche nach dem oder den Tätern. Es wirft aber zugleich Fragen zur Überwachung des öffentlichen Raumes durch private Überwachungskameras auf.

„Die Kontrolle des öffentlichen Raumes ist der Polizei vorbehalten“, betont Ossi Helling, sozialpolitischer Sprecher der Grünen. Für ihn ist der Fall klar: „Die Viva-Kamera arbeitet nicht nach der Regelung des Bundesdatenschutzgesetzes.“ Beim Objektschutz sei der Betreiber nämlich angehalten, die Beobachtung des öffentlichen Raumes zu minimieren.

Der Grüne warnt davor, den Schmerz und die Angst der Bewohner zu instrumentalisieren und den Anschlag für „ideologisch verblendeten Videofanatismus“ zu nutzen. Schließlich habe auch die Videoüberwachung vom Viva-Gelände aus den Bombenanschlag nicht verhindert. „Videokameras verhindern eben nicht Straftaten.“

Deshalb will Helling, der mit dem Koalitionspartner CDU deswegen ohnehin im Clinch liegt, Videoüberwachung nur erlauben, wenn es um „ausdrückliche Kriminalitätsbrennpunkte“ gehe, die Überwachung nur „ergänzender Teil eines Sicherheitskonzepts“ sei und dadurch die Verhütung von Straftaten „realistisch“ zu erwarten sei.

Auch die Landesdatenschutzbeauftragte ist schon hellhörig geworden. „Private dürfen Straßen nicht überwachen“, sagt Bettina Gayk, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Landesbeauftragten für Datenschutz. Daran ändere auch der Fall Keupstraße nichts. „Dass es so einen Fall zufällig gibt, kann nicht dazu führen, dass jeder seine Straße überwacht“, sagt Gayk. „Wir werden mit Viva Kontakt aufnehmen“, kündigt sie an. Dann könnte es Viva wie Gerling ergehen. Das Kölner Versicherungsunternehmen hatte mit seinen Kameras nicht nur das eigene Gebäude, sondern auch Teile der Straße überwacht. Nach einer Intervention der Landesdatenschutzbeauftragten korrigierte Gerling 2001 die Ausrichtung der Kameras.

Die zuständige Staatsanwaltschaft kann nicht sagen, ob Viva gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen hat. „Das müsste geprüft werden, wenn jemand einen Strafantrag stellen würde wegen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz“, so Oberstaatsanwalt Rainer Wolf. Viva selbst wollte sich auch auf Anfrage der taz nicht zu seiner Kamera äußern. „Kein Kommentar“, hieß es aus der Schanzenstraße.