Kiffen ist nicht ohne

Gesundheits-Staatsrat Dietrich Wersich warnt vor Cannabis-Konsum bei Jugendlichen. Bildungssenatorin will deshalb Rauchen verbieten

„Zigarettenkonsum ist offenbar ein typischer Entwicklungschritt auf dem Weg zum Cannabis-Konsum“

von KAIJA KUTTER

In einem eindringlichen Appell hat Gesundsheits-Staatrat Dietrich Wersich (CDU) gestern davor gewarnt, den Cannabis-Konsum bei Jugendlichen zu verharmlosen. „Hunderte von Kindern und Jugendlichen sind in Hamburg in Therapie wegen psychischer und körperlicher Folgeschäden“, erklärte er bei der Vorstellung einer Studie zum Thema. Der Stoff sei heute „um ein Zehnfaches reiner“ und somit gefährlicher als vor 20 Jahren. Wersich: „Die Folge sind Angst und Entwicklungsstörungen.“ Wer sich zukiffe in einem Alter, in dem man an Konflikten reife, bleibe als 18-Jähriger auf dem Entwicklungsstand eines 14-Jährigen zurück.

Untermauert werden Wersichs Thesen durch die Zahlen der Drogenambulanz der Universitätsklinik Eppendorf. Demnach sind von 400 jugendlichen Patienten pro Jahr allein 200 aufgrund ihres Haschischkonsums in Behandlung, die übrigen 200 wegen eines „Mischkonsums“ von Cannabis und anderen Drogen wie Ecstasy, wie Behördensprecher Hartmut Stienen berichtet.

Um zu erfahren, wie sich der Konsum legaler und illegaler Drogen an Hamburgs Schulen entwickelt, hat Theo Baumgärter vom „Büro für Suchtprävention“ 3.800 Schüler ab der 8. Klasse befragt. Demnach stieg die Zahl der 15- bis 17-Jährigen, die mindestens einmal in ihrem Leben eine illegale Droge probierten, von 22 Prozent im Jahr 1997 auf jetzt 44 Prozent an. Von den illegalen Drogen wiederum ist Cannabis die mit 40 Prozent am weitesten verbreitete.

„Viele Schüler sagen, wieso, das hab ich mit meinen Eltern gemacht“, berichtet Baumgärtner, der herausfand, dass erfahrene Gewohnheitskonsumenten die schlechteste Selbsteinschätzung haben und auch am unzufriedensten mit ihrem familiären Umfeld und ihrer Wohnsituation sind, wobei Ursache und Wirkung sich vermischten.

Baumgärter hat auch den Konsum der legalen Drogen Alkohol und Tabak untersucht. Besorgnis erregend sei die Zunahme von „Alcopops“, süß schmeckender Softdrinks, die von 70 Prozent aller 16-Jährigen konsumiert werden. Eine Altersgruppe, die „eigentlich durch Alkohol nicht erreicht werden dürfte“, wie Baumgärtner mahnt.

Nicht ohne ist laut Baumgärtner aber auch der Tabakkonsum. Der Suchtforscher kommt zu der Erkenntnis, dass das Einstiegsalter für Zigarettenkonsum vor dem 16. Geburtstag liegt, „danach beginnt kaum noch jemand mit dem Rauchen“. Andererseits haben 77 Prozent der rauchenden SchülerInnen Cannabis-Erfahrung gegenüber nur fünf Prozent bei den Nichtrauchern.

Dies ist nun Anlass für Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos), das weithin unverfängliche Thema aufzugreifen und Rauchen auf den Schulhöfen zu verbieten: „Zigarettenkonsum ist offenbar ein typischer Entwicklungsschritt auf dem Weg zum Cannabis-Konsum“, schlussfolgert sie und will nach einer Debatte mit den Kammern bis zum Jahresende selbst den Lehrern die Glimmstängel verbieten. „Wir wollen den Kindern und Jugendlichen auch Grenzen zeigen“, erklärte Dinges-Dierig und meinte zu wissen, dass Eltern dies nicht täten.

Von der Opposition erhielt die Senatorin Beifall. Ein Rauchverbot an Schulen könne zwar nicht das Problem der Nikotinsucht lösen, es könne aber verhindern, dass junge Leute „durch Gruppenzwang zur Zigarette greifen“, erklärte SPD-Landeschef Mathias Petersen und forderte eine „schnelle juristische Prüfung“.