Hoffen auf Freiheit zwischen den Ohren

Hannover 96 ist alles und nichts zuzutrauen. Martin Kinds Fußballfirma schwankt zwischen planbaren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den Unvorhersehbarkeiten des Alltags auf dem Platz. Die Integration von Jan Simak könnte den Ausschlag nach unten oder oben geben

Hannover taz ■ Chaos stiften – eine Qualität, für die der Rückkehrer Jan Simak überregionale Bekanntheit erlangt hat. Meist zum Nachteil des eigenen Teams, wie Leverkusen in der vergangenen Saison bemerken durfte. Nun ist der geniale wie aberwitzige Mittelfeldspieler an den Ort seines größten Erfolges zurückgekehrt. Hannover 96 hat er in der Saison 2001/2002 in die erste Bundesliga geschossen. Vielmehr hat er noch nicht zu Stande gebracht. Nun hoffen die Verantwortlichen, dass nicht 96 selbst, sondern die Gegner durch gewitzte Pässe und verwirrende Laufwege des Tschechen im Chaos versinken werden.

Vor allem der Verfechter eines Comebacks des schwierigen Spielmachers („Hannover ist häßlich“, Simak vor seinem Wechsel nach Leverkusen), Präsident Martin Kind, ist darauf angewiesen, dass die Leihgabe von Leverkusen seinem Projekt 96 weiterhilft – so wie 2002, als Simaks Wechsel die Kasse mit 6,5 Millionen Euro füllte. Immerhin muss Hannover aber nun zwei Drittel des 1,5 Millionen Euro betragenden Gehalts von Simak aufwenden. Eine beachtliche Investition für den rigiden Präsidenten, dem Zahlen wichtiger sind als Popularität und Image.

Beträge, Summen, Ziffern: Der Präsident entscheidet nicht mit einem Fan-Schal um den Hals, sondern mit dem Taschenrechner in der Hand. Sollte er sich mit einem nicht überzeugenden Simak, der nicht unbedingt auf der Wunschliste von Trainer Ralf Rangnick stand, finanziell verhoben haben, werden die geschröpften Anhänger des Teams Kritik üben. Rechnete Kind doch kühl die finanziellen Ausfälle auf Grund des Stadionumbaus auf die Eintrittspreise um.

Finanziell ist 96 strikt an die Erstklassigkeit gebunden, wie sich in der Etatplanung Hannovers sowie den Belastungen aus dem Stadionbau zeigt. Unter diesem Druck stehend, arbeitet Kind mit dem ebenfalls in der Bürozentrale der Hörgerätefirma Kind sitzenden Ricardo Moar leicht nervös auch am sportlichen Konzept Hannovers. Trainer Rangnick trägt die Entscheidungen zähneknirschend mit.

„Wir hatten ein Gespräch, an dem auch seine Berater teilgenommen haben“, berichtet der Coach von den neu vereinbarten Spielregeln, an die sich Simak zu halten hat. „Solange Jan bei uns frei im Kopf war“, erinnert sich der Coach, „hat er perfekten Top-Fußball geboten.“

Dies hat er in Hannover teils auch getan, als es um die Freiheit zwischen den Ohren nicht mehr so gut bestellt war. Dennoch hofft die ambitionierte Fußballfirma auf größtmöglichste Freiheit, um die Rettung vor der 2. Liga nicht wie in der vorigen Saison erst am vorletzten Spieltag zu bewerkstelligen. ALEXANDER MARNER