„Sicherheit kommt von innen“

Geschlossene Psychiatrie Haus 18: MitarbeiterInnen hatten im Herbst vorigen Jahres auf Missstände hingewiesen, doch es geschah wenig. Heute soll mit der Behörde über verstärkte Sicherheitsvorkehrungen beraten werden

„Es gibt keine Therapieziele und keine Behandlungsanalyse“Eine Affäre zwischen einer Therapeutin und einem Patienten werde vertuscht

von KAI VON APPEN

Es ist noch mal gut gegangen. Der psychopathische Bombenleger Markus H. ist nach seiner spektakulären Flucht aus der geschlossenen Psychiatrie des Klinikums Nord wieder gefasst. Luftholen bei den Verantwortlichen des Haus 18 in Ochsenzoll – der so genannten forensischen Abteilung – darüber, dass wieder einmal die Flucht eines Gewalttäters aus dem Maßregelvollzug ohne Folgen zu Ende ging. Heute treffen die Klinik-Verantwortlichen und Vertreter der Gesundheitsbehörde zusammen, um über neue Sicherheitsvorkehrungen zu beraten. Insider sehen die Ergebnisse schon jetzt kritisch. „Nach den Erfahrungen gibt es wieder einige Nato-Draht-Rollen mehr.“

Dass es immer wieder im Haus 18 zu Ausbrüchen kommt, wundert die KritikerInnen nicht. „Sicherheit kommt von innen her“, sagen sie. Doch das Direktorium habe bislang nur ein Interesse gehabt: „Die Fassade zu polieren und dafür zu sorgen, dass niemand den Lack abkratzt.“

Bereits im Herbst vorigen Jahres hatte sich eine Gruppe von ÄrztInnen, PsychologInnen und TherapeutInnnen aus verschiedenen Stationen des Haus 18 an das Direktorium gewandt, um auf Missstände hinzuweisen. „Unseres Erachtens ist es unerlässlich, in aller Deutlichkeit aufzuzeigen, an welchen Stellen die Einrichtung nicht funktioniert, dass Taktik und Winkelzügen der Sache nicht mehr dienlich sind“, schrieben sie.

Sie klagten mehr Handlungsfähigkeit ein, um sich wieder motiviert mit allem „nötigen Enthusiasmus“ ihrer Arbeit zuwenden zu können: „Einer qualifizierten therapeutischen Arbeit mit den Patienten und einer bestmöglichen Zusammenarbeit aller Berufsgruppen.“ Denn aufgrund von Kompetenzdefiziten würden Patienten nur verwaltet.

„Ich sollte die Leute ruhig stellen, mir wurde gesagt, was ich zu tun habe und was nicht“, berichtet eine der KritikerInnen im Gespräch mit der taz. „Es gibt keine Therapieziele und keine Behandlungsanalysen“, ergänzt eine andere, „multiprofessionelle Zusammenarbeit“ und „fachlich und diagnostisch differenzierte Analysen“ fänden nicht statt, Transparenz sei in dem „hierarchischen Gefüge“ unerwünscht. „Häufig wissen die Patienten gar nicht, was von ihnen erwartet wird. Und wie sie auf eine Weiterentwicklung Einfluss nehmen können.“

Patienten würden sogar durch Desinformationen zur Vermeidung klärender Gespräche „schlichtweg belogen“. Die Folge sei Frustration mangels Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen. „Der Patient fühlt sich in die Ecke gedrängt, es kommt zu Überreaktionen, denn er hat nichts zu verlieren“, so die Fachleute.

Ein brisante Mischung. Denn im Haus 18 sind nicht nur hochgefährliche Kriminelle, sondern oft auch sehr intelligente Psychopathen untergebracht. „Ein Patient hat sich mit einem weißen Kittel bei einer Visite unbemerkt in eine Gruppe von Ärzten gemischt. Der wäre rausgekommen, hätte er sich nicht zu erkennen gegeben.“

So habe es auch schon lange Zeit Hinweise auf die Fluchtpläne von Hans-Joachim B. – der als „Balkonmonster“ bekannt gewordene Serienvergewaltiger – gegeben. Vorige Woche sei ihm bei einer Zellenrazzia ein selbstgefertigter Universalschlüssel abgenommen worden, doch die Insider, die ihn kennen, glauben nicht, dass das der eigentliche Fluchtplan sei: „Das ist vermutlich eine Finte.“

Auch die Folgen einer Affäre zwischen einer Therapeutin und einem Patienten würden vertuscht, wird berichtet. Obwohl eigentlich der Straftatbestand des „sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen“ erfüllt sei. Die Mitarbeiterin habe persönliche Daten von KollegInnen in einem Tagebuch niedergelegt, die nun unter den Insassen kursierten. „Patienten wissen, wer wo wohnt und wie es zu Hause aussieht.“ Die Mitarbeiterin ist inzwischen vom Dienst suspendiert. Die Haus 18-Leitung weigert sich aber nach taz-Informationen aus „datenschutzrechtlichen Gründen“, den Betroffenen Einblick in die gesammelten Daten zu geben. „Das ist beängstigend.“

Die Kritiker machen den Chef der forensischen Abteilung, Guntram Knecht, für den anhaltend desolaten Zustand verantwortlich, obwohl sich der Ärztliche Direktor des Klinikums Nord, Heinzpeter Moecke, vor den Leiter des Haus 18 stellt. Die Insider: „Der hat von Psychiatrie keine Ahnung.“