on the rail again: Rosa Rosen, silberner Mond
Henning Kober bereist per Interrail Europa. Heute: Brighton
Sonntag, 19.10 Uhr. Ein kleiner Junge weint sich rote Backen. Dann ist das Licht aus. Hunde bellen. Der Eurostar steht in Lille und alle Passagiere müssen raus. „Take all your belongings with you.“ Sicherheitsalarm. Bombendrohung? Schon die Abfahrt in Brüssel hat sich verzögert. Im Bauch ein Unwohlknoten.
Sonntag, 19.33 Uhr. Zurück im Zug. Die Zugchefin meldet mit Metallstimme: ein illegaler Immigrant, der sich im oder am Zug versteckt hat. Offenbar haben sie ihn. Zum Heulen.
Sonntag, 20.43 Uhr. Schwarzer Himmel. Blitze verbinden Himmel und Erde. Der Zug düst gleichgültig dahin, die Scheiben bleiben trocken. Am Bahndamm blühen rosa Rosen. Das Land wie eine Phosphorfabrik vor der Explosion. Franz Ferdinand singen von Schampus und Lachsfisch.
Montag, 0.12 Uhr. Gefühlsansturm. Ein Bild, das man sich sofort auf die Kontaktlinsen tätowieren möchte: Ich sitze auf Kieselstrand. Links blinkt der Brighton Pier, rot, gold, vorn das Meer, Ebbe. Über allem steht der Mond, macht der stillen schwarzen Wasserfläche einen silbernen Knutschfleck.
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