EU-Neulinge bereiten sich auf Euro vor

Estland, Litauen und Slowenien treten dem Europäischen Wechselkursmechanismus bei. Für die Eurozone ist das zunächst nur gut, schließlich ist der Außenhandel mit den neuen osteuropäischen EU-Mitgliedern schon lange wichtiger als der mit den USA

VON HERMANNUS PFEIFFER

Nun ist es absehbar: Der Euro wird um sich greifen. Am Sonntag machten Estland, Litauen und Slowenien den ersten Schritt und traten als Erste der EU-Neulinge dem Europäischen Wechselkurssystem (ERM-2) bei. Hier müssen sie sich nun mindestens zwei Jahre bewähren, bis sie beantragen können, den Euro selbst einführen zu dürfen. Zunächst bringt der Beitritt nur für sie selbst neue Verpflichtungen. Sie müssen ihre Währungen Krone, Litas und Tolar nun in einem festgelegten Schwankungsbereich zum Euro halten, auf Hilfe der Europäischen Zentralbank können sie dabei nicht hoffen.

Für die alten EU-Mitglieder und die EZB bedeutet die Teilnahme Estlands, Litauens und Sloweniens an ERM-2 eine kleine Erleichterung. Der litauische Lita und die estnische Krone sind zwar bereits seit einiger Zeit über ein so genanntes Currency Board am Euro fixiert und haben in den letzten Jahren entsprechend konstante Wechselkurse verzeichnet. Aber der slowenische Tolar war bislang nur über ein so genanntes Crawling Band an die Ankerwährung Euro gebunden, das viel Spielraum für Dumping-Devisen bietet. Entsprechend hatte der Tolar seit Beginn der Währungsunion 21 Prozent abgewertet. Für das exportorientierte Land verbilligten sich die Ausfuhren damit um gut ein Fünftel.

In ERM-2 sind die Wechselkurse fest verankert – für den Tolar gilt ein Zielkurs von 239,64, für die Krone von 15,65 und für den Litas von 3,45 zum Euro. Die Währungen müssen sich in einem Korridor von plus/minus 15 Prozent um diesen Wert bewegen. Um in die Eurozone aufgenommen zu werden, müssen die Länder den Stabilitätspakt erfüllen.

Die Auswirkungen des Beitritts auf die Wirtschaft der Eurozone sind groß. Denn der Handel mit den neuen EU-Mitgliedsländern ist für die bundesdeutsche Volkswirtschaft wichtiger als der Außenhandel mit den USA. Im vergangenen Jahr wanderten hier Waren im Wert von mehr als 110 Milliarden Euro über die Grenzen – der Warenhandel mit den USA machte 10 Milliarden Euro weniger aus. EZB und Bundesbank haben deshalb die Wechselkurssysteme der osteuropäischen Beitrittsländer schon lange unter genauer Beobachtung. Noch in ihrem jüngsten Monatsbericht beklagt die Bundesbank, dass die Währungen der Länder, die im Mai der Europäischen Union beigetreten sind, „ein recht heterogenes Muster“ aufwiesen. Schuld daran sei vor allem die breite Palette von Wechselkurssystemen.

Denn nicht alle Länder haben es so eilig wie Litauen, Estland und Slowenien. Das mit 38 Millionen Menschen bevölkerungsreichste neue EU-Land Polen etwa überlässt die Kursfindung des Złoty den Akteuren auf den Devisenmärkten. Aus Sicht der polnischen Exportwirtschaft, deren wichtigster Partner Deutschland ist, funktioniert dies wie erhofft. Die Bundesbank macht dafür ein steigendes Haushaltsdefizit verantwortlich, andere Finanzexperten sehen darin vor allem eine Angleichung an die reale Kaufkraft des Złoty. Jedenfalls beliefen sich die Kursverluste der Warschauer Währung allein 2002 auf 13 Prozent und 2003 auf weitere 14,5 Prozent. Folge: Der Anteil polnischer Pfifferlinge, Kohle und Maschinenteile an den bundesdeutschen Einfuhren verdoppelte sich.

Auch die wirtschaftlich starke Tschechische Republik setzt auf flexible Wechselkurse, verlor aber 2003 wenig, sodass die tschechische Währung gegenüber dem Euro per Saldo sogar um rund 10 Prozent zulegte.

Am turbulentesten geht es am ungarischen Devisenmarkt zu. Eigentlich sollte der Forint in einem Kursband von 15 Prozent um den Euro schwanken, was jedoch Spekulanten herausforderte, auf einen tieferen Fall zu wetten. Mit üblen Folgen für die Volkswirtschaft am Balaton: Um den Kursverlust in erträglichen Grenzen zu halten, musste die ungarische Zentralbank ihre Leitzinsen drastisch anheben, Kredite und Investitionen wurden dadurch fühlbar zu teuer. Alle östlichen EU-Neulinge leiden unter den gleichen Problemen: Kapitalmangel und wirtschaftlicher Nachholbedarf. Entscheidend für die Wahl des Wechselkurssystems ist daher die Entscheidung, „ob ein Land in den Euro will oder nicht“, sagt Währungsexperte Wilhelm Hankel.