Keine Nato-Fahne in Bagdad

Die Allianz lehnt eine stärkere Rolle vorerst ab, unterstützt aber die Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte und schickt 3.500 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan

GENF taz ■ Die 25 Staats- und Regierungschefs der Nato haben auf ihrem Gipfel in Istanbul sowohl die Unterstützung Iraks bei der Ausbildung von Soldaten und Polizisten beschlossen wie die Ausweitung des Einsatzes in Afghanistan und die Aufstockung der dortigen Truppen um ein Drittel. „Wir haben heute beschlossen, der irakischen Regierung die Hilfe der Nato bei der Ausbildung ihrer Sicherheitskräfte anzubieten“, heißt es in dem gestrigen Beschluss, mit dem die Allianz auf ein schriftliches Ersuchen des neuen irakischen Regierungschefs Ajad Allawi reagierte.

Formulierungvorschläge der USA und Großbritanniens, die eine „zentrale Rolle“ der Nato vorsahen, fanden keine Mehrheit. Damit sei auch die „Absicht der USA vom Tisch, in Bagdad die Nato-Fahne aufzuziehen“, erklärte ein Mitglied der französischen Delegation. Präsident Jacques Chirac wurde noch um einiges deutlicher. „Jede Präsenz der Nato, jede Spur der Nato auf irakischem Boden ist als unangemessen angesehen worden“, sagte Chirac gestern. Frankreich sei zwar zur Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte bereit, „aber natürlich außerhalb des Iraks“. Auch blieben wichtige Einzelheiten der künftigen Ausbildungshilfe offen – vor allem die Frage, wo diese Ausbildung stattfinden soll. Washington und London hatten auf eine Ausbildung im Irak bestanden. Deutschland, Frankreich, Spanien und weitere Nato-Mitglieder lehnen dies ab. Die Bundesregierung ist bereit, Ausbilder in Iraks Nachbarland Jordanien zu schicken. Bundeskanzler Schröder zeigte sich zufrieden. „Uns reicht der gefundene Kompromiss. Das ist das, was wir gemeinsam tragen können“, sagte er. Deutsche Soldaten werden auch weiterhin nicht im Irak zum Einsatz kommen, bekräftigte Schröder.

Die Einzelheiten der Ausbildungshilfe sollen nun von einem Stab im Brüsseler Hauptquartier ausgearbeitete werden. Mit der Formulierung „Wir werden künftige Anforderungen der irakischen Regierung prüfen“ ließ der gestrige Beschluss auf Drängen von US-Präsident Bush zumindest theoretisch die Möglichkeit für ein weiter gehendes Engagement der Nato im Irak offen. In Afghanistan will die Nato das Einsatzgebiet der von ihr geführten Internationalen Schutztruppe (Isaf) bis zu den für Mitte September geplanten Wahlen auf mehrere Provinzen außerhalb der Hauptstadt Kabul ausweiten – darunter im Norden des Landes in den Provinzen Masar-i-Scharif und Baghlan, in der Stadt Feisabad und in der westlichen Stadt Herat.

Zu diesem Zweck soll die bisherige Truppenstärke der Isaf von 6.500 Soldaten auf 10.000 Soldaten aufgestockt werden. Im Norden und Westen Afghanistans sollen weitere bewaffnete regionale Aufbauteams (PRT) etabliert werden. Bislang existiert erst ein solches, von der Bundeswehr geführtes Aufbauteam in der Stadt Kundus. Für die zusätzlichen Teams haben unter anderem Großbritannien, die Niederlande und Norwegen zugesagt, wie auch Schweden und Finnland, die beide nicht Mitglied der Nato sind.

ANDREAS ZUMACH