Kuhhandel beim Emissionshandel

Nachdem die EU letzte Woche den Handel von Kohlendioxid-Zertifkaten beschlossen hat, beginnt nun in Deutschland der Kampf um die Modalitäten. Umstritten sind bisherige Minderungen, Regelungen für Neuanlagen, das Verteilungsverfahren

Die Zuteilung entscheidet, wer Gewinner oder Verlierer sein wird

aus Berlin BERND MIKOSCH

Jetzt steht dem EU-weiten Emissionshandel nichts mehr im Weg: Ab 2005 müssen Betreiber bestimmter Anlagen, die viel Kohlendioxid emittieren, Emissionsrechte vorweisen. Nachdem der EU-Rat vergangene Woche die entsprechende Richtlinie gebilligt hat, beginnt nun die Feilscherei um den „nationalen Zuteilungsplan“, den das Bundesumweltministerium (BMU) der Kommission bis spätestens März vorlegen muss.

Nationaler Zuteilungsplan – hinter dem Behördenausdruck verbirgt sich ein Regelwerk, das für Zündstoff sorgt: die Frage, welche Firma wie viele Zertifikate bekommt. Die Erstzuteilung ist zwar kostenlos, trotzdem geht es um viel Geld: Das eine Unternehmen wird Zertifikate zukaufen müssen, um seine CO2-Emissionen abzudecken, das andere wird seine auf dem Markt vergolden können. „Die Zuteilung entscheidet, wer Gewinner oder Verlierer sein wird“, sagt Regine Günther, Leiterin Klimapolitik beim WWF.

„Die Interessenlagen sind innerhalb der Branchen sehr unterschiedlich“, urteilt Reimund Schwarze vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das derzeit mit dem Öko-Institut und dem Fraunhofer-Institut für Innovationsforschung den nationalen Zuteilungsplan vorbereitet. Vattenfall etwa besteht darauf, dass seine Minderungsleistungen seit 1990 anerkannt werden, denn seit der Wiedervereinigung wurden zahlreiche alte Braunkohlekraftwerke modernisiert. Die Zuteilung wird jedoch auf Basis der CO2-Emissionen in den Jahren 2000 bis 2002 erfolgen. Ob die so genannte „early action“ von Vattenfall und Co. anerkannt wird, ist umstritten. Darum würde das DIW die Zertifikate am liebsten nach dem Branchendurchschnitt verteilen. Firmen, die ihre Emissionen bereits gesenkt haben, bekämen so mehr Zertifikate, als sie benötigen – „early action“ würde automatisch belohnt.

Umstritten ist auch, wie Neuanlagen, die nach 2005 in Betrieb gehen, mit Zertifikaten ausgestattet werden. „Am wahrscheinlichsten ist, dass eine bestimmte Menge kostenloser Zertifikate für Neuanlagen zurückgehalten wird“, sagt Schwarze. Dass sich Marktneulinge am Markt bar mit Zertifikaten eindecken müssen, scheint nicht durchsetzbar. Das BMU will Schwarze nicht bestätigen. Eine Sprecherin: „Derzeit können wir nichts zum Zuteilungsverfahren sagen.“

Weit mehr Sorgen als die Details der Zuteilung bereitet Regine Günther, dass das Minderungsziel nicht eindeutig benannt ist. Noch ist offen, wie viele Zertifikate es überhaupt geben wird. „Wir arbeiten verschiedene Szenarien aus. Welche Zertifikatemenge tatsächlich ausgegeben wird, ist Sache der Politik“, bestätigt DIW-Forscher Schwarze. Günther befürchtet, dass die Unternehmen gegebene Zusagen brechen: „Ihre Selbstverpflichtung, 45 Millionen Tonnen CO2 weniger bis 2010 als 1998 zu emittieren, hat die Industrie schon aufgegeben.“ Ein Referent des BDI streitet dies jedoch ab: Die Frage sei vielmehr, ob sich die Ziele der Selbstverpflichtung auf den Emissionshandel übertragen ließen.

In einem Punkt konnte sich die Industrie schon durchsetzen: Die Zertifikate werden in Deutschland nicht versteigert – obwohl die EU-Richtlinie dies erlaubt. Schwarze würde eine Versteigerung begrüßen. Schließlich bekämen die Zertifikate dann diejenigen, die sie wirklich brauchen, und die leidigen Verteilungsprobleme wären gelöst.

Wenn die nationalen Zuteilungspläne der EU-Staaten vorliegen, kann endlich konkreter ermittelt werden, mit welchen Marktpreisen für Zertifikate zu rechnen ist. Es gibt zwar bereits Studien und erste Erfahrungen mit Zertfikatesystemen anderer Länder, die Schätzungen reichen aber von 5 bis über 30 Euro pro Tonne CO2. Marcus Stronzik vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung beantwortet die Frage nach Preisen für CO2-Zertifikate mit einer Gegenfrage: „Haben Sie zwei Würfel?“