Arbeiter zu Medizinern

Der Initiativkreis Ruhrgebiet hat einen bundesweit einmaligen Klinikführer herausgebracht. Er soll PatientInnen beraten und Arbeitsplätze schaffen

„Wir wollen Arbeitsplätze schaffen, die in der Montanindustrie verloren gegangen sind“

AUS ESSENNATALIE WIESMANN

PatientInnen im Revier können jetzt selbst entscheiden, welche Klinik für sie die Beste ist. Denn der Initiativkreis Ruhrgebiet hat einen Klinik-Führer herausgegeben. Er soll über den Servicecharakter hinaus zu Qualitätsverbesserungen führen und langfristig neue Arbeitsplätze in der Region schaffen.

„Das ist eine bundesweit einmalige Pilotstudie“, sagte Projektleiter Dieter Heuskel und Geschäftsführer der Boston Consulting Group (BCG) gestern bei der Vorstellung des Klinik-Führers in Essen. Damit eile das Ruhrgebiet den Bestrebungen des Bundes nach Transparenz im Gesundheitsbereich voraus. Auch habe man geplant, den Klinik-Führer ins Englische zu übersetzen. „Wir wollen Patienten und renommierte Ärzte aus dem Ausland anziehen“, sagt er. Dadurch könne der Strukturwandel vorangetrieben werden. „Wir werden Arbeitsplätze schaffen, die in der Montanindustrie verloren gegangen sind“, sagt Heuskel optimistisch.

Das Picker Institut aus Hamburg hat die Erhebungen unter 12.000 PatientInnen und 3.500 niedergelassenen ÄrztInnen durchgeführt. Befragt wurden frisch entlassene PatientInnen nach ihrer Zufriedenheit mit Ärzteschaft und Pflegepersonal sowie mit dem Behandlungserfolg und Serviceleistungen. Den FachärztInnen wurde die Frage gestellt, „in welches Krankenhaus sie sich selbst einliefern würden.“ Ergänzend dazu hat der Lehrstuhl für Medizin-Management der Uni Duisburg-Essen klinikinterne Statistiken in Hinblick auf Erfahrung und Qualität ausgewertet.

Nur 37 von 110 Kliniken im Ruhrgebiet haben sich an der Transparenzstudie beteiligt, die Teilnahme war freiwillig. Ausgewählt wurden die Fachrichtungen Kardiologie, Chirurgie und Wirbelsäulenerkrankungen. 40 Kliniken sind aus der Studie herausgefallen, weil sie in diesen Bereichen keine oder zu wenig Behandlungsfälle hatten, erklärt Alexander Kirstein von der BCG. Andere Krankenhäuser, wie beispielsweise in Hamm, hätten sich „nicht zum Ruhrgebiet zugehörig“ gefühlt. Und dass einige Einrichtungen sich gar nicht rückgemeldet hätten, spreche für sich, so Kirstein. „Wir haben extra kein Ranking vorgenommen“, sagt Kirstein auf Anfrage. Man habe nicht vor, die PatientInnen zu bevormunden, sie sollten selbst die Bewertung vornehmen. Die Kriterien, die ein Krankenhaus empfehlenswert machen, seien zu differenziert, so Kirstein. „Wenn eine kranke Person viel Wert legt auf eine gute Atmosphäre, dann kann sie sich eine solche Klinik aussuchen“, fügt Axel Focke vom Lehrstuhl für Medizin-Management der Uni Duisburg Essen hinzu. In Serviceleistungen könnten sich beispielsweise kleine Krankenhäuser profilieren.

10.000 Exemplare des Klinik-Führers Ruhrgebiet stellt der Initiativkreis kostenlos zur Verfügung. Im August soll die englische Version herauskommen und im November die Studie auf NRW ausgeweitet werden. Die Pilotstudie ist nur ein weiterer Versuch, das Ruhrgebiet in der Medizin voranzubringen: Auch die elektronische Patientenakte und die Televisite werden im Revier seit einiger Zeit erprobt.