Airbus in Turbulenzen

Nach dem Baustopp bei Airbus in Finkenwerder stehen Hamburgs Standort-Fans unter Schock – und hoffen auf eine höhere Instanz

Die Enteignung von Obstbaubetrieben und die Vernichtung von Existenzen ist nicht gerechtfertigt

von Almut Kipp
und Sven-Michael Veit

Airbus schwankt in Turbulenzen. Die geplante erneute Verlängerung der Startbahn im Werk Finkenwerder um knapp 600 Meter wurde vorgestern gerichtlich gestoppt – ein Schock für die Standort-Fans. Und auch der Abriss des Neß-Hauptdeiches am Werksgelände darf nicht in Angriff genommen werden. Denn das Hamburger Verwaltungsgericht (VG) hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit des jüngsten Planfeststellungsbeschlusses (taz berichtete gestern).

Er hätte zur Folge, dass 20 Anwohner ihre Grundstücke aufgeben müssten, so das VG. „Auf das A380-Programm hat die Entscheidung absolut keinen Einfluss“, beteuerte gestern ein Airbus-Sprecher. Er hoffe, dass die nächsthöhere Instanz, das Oberverwaltungsgericht (OVG), zeitgerecht und positiv entscheiden werde. Denn die Uhr tickt gegen den Konzern, der die Werksferien im Juli für die Deicharbeiten nutzen wollte.

Das weltgrößte Passagierflugzeug A380, das in Hamburg innen ausgestattet und lackiert wird, soll Anfang 2005 erstmals fliegen. Die ersten Auslieferungen des Flugzeuges mit 550 Sitzen sind im Mai 2006 an die Singapore Airlines vorgesehen. Für die Frachtversion liegen 17 Bestellungen vor. Für diese Riesenversion soll die Landebahn in einem zweiten Schritt erneut verlängert werden, die derzeit schon um 363 Meter auf insgesamt 2.684 Meter ausgedehnt wird. Diese Arbeiten sollen Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Gebaut werden durfte, der dafür notwendige Planfeststellungsbeschluss war aber in erster Instanz im August 2002 aufgehoben worden. Über die dagegen eingelegte Berufung brütet noch das OVG.

Das Gericht habe das Interesse der Kläger an einem Baustopp höher eingestuft als das Interesse der Hansestadt und von Airbus am zügigen Ausbau, begrüßten die Anwälte der Kläger die Entscheidung. Rund 160 Anwohner und Grundstückseigentümer waren mit einer Sammelklage gegen die Verlängerung des Rollfelds vor Gericht gezogen.

Bei Airbus handele es sich lediglich um Produktions- und Kundenabnahmeflüge für das Frachtflugzeug A380F, das nur etwa 20 Prozent der Bestellungen des Großraumflugzeuges A380 ausmache, schrieb das Gericht. Ohne Last könne auch das Frachtflugzeug auf der bisher in der Planfeststellung aufgeführten Start- und Landebahn abheben und landen, meinen die Richter. Das sieht Airbus anders: Der Transporter müsse bei Abnahmeflügen zwei Drittel einer Fracht an Bord haben, damit dem Kunden die Leistungsdaten nachgewiesen werden könnten.

Freudig reagierte die GAL gestern auf den Beschluss des VG. Dadurch würden „unsere Zweifel am behaupteten Bedarf bestätigt“, erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christian Maaß. Er vertritt seit langem die These, die Airbus-Frachter könnten „problemlos ohne Fracht in Finkenwerder starten und auf dem Flughafen Fuhlsbüttel voll beladen und von dort ausgeliefert werden“ – eine Ansicht, welche Airbus stets als unsinnig zurückwies. Maaß bleibt dennoch dabei, dass unter diesen Umständen „die Enteignung von Obstbaubetrieben, die Vernichtung von Existenzen und Arbeitsplätzen sowie die Investition von 50 Millionen Euro Steuergeldern nicht gerechtfertigt“ werden könnten.

CDU-Fraktionschef Bernd Reinert verwies hingegen auf die hohe Bedeutung der Flugzeugproduktion für die gesamte Region Norddeutschland. Die Justiz werde „hoffentlich“ der Meinung der Bürgerschaftsmehrheit aus Christ- und Sozialdemokraten folgen, dass dies einen „Eingriff in das Grundeigentum einzelner Bürger“ rechtfertige. „Es wäre fatal für Hamburg“, glaubt auch SPD-Wirtschaftsexperte Ingo Egloff, sollte der Baustopp in nächster Instanz bestätigt werden. Eine Entscheidung gegen Airbus wäre „das Ende für große Industrieprojekte in Deutschland“.