Täter des Alltags

Ein Nach-Bild: Ellen Rothenbergs Installation „Beautiful Youth“

Eine Reihe von schwarzweißen Portraitfotos zeigt junge Frauen. Sie schreiben Briefe, nähen, stillen Kinder. Sie spielen auch Akkordeon, beißen herzhaft in ein Butterbrot oder decken den Kaffeetisch.

Die Fotografien zeigen genau den Ausschnitt zwischen ihrem unbeschwerten Lächeln und den tatkräftigen Händen. In der Bildmitte, oft nur klein am Hemdkragen, das NS-Abzeichen. Die Augenpartie bleibt ausgespart: Die Alltagsszenen sind zwar konkret, aber die Frauen sind ohne Gesicht. Ihre Handlungen erscheinen als Inbild der ideologischen Verblendung.

Gegenüber der Fotowand hängen fünf pflichtbewusste graue Schürzen. Jede hat ein anderes Trägermodell, und doch wirken sie nebeneinander wie Uniformen. Ellen Rothenbergs Installation füllt einen ganzen Raum der Ausstellung After Images in der Weserburg. Zwischen der Fotowand auf der einen und den Schürzen auf der anderen Seite befinden sich zwei längliche Tische. Auf der vorderen Platte findet der Betrachter eine Ansammlung von Skulpturen: Hände und Unterarme, manchmal nur einzelne Daumen liegen da verstreut – mal zur Faust geballt, mal zum Gruß gestreckt, als hätte man die Gesten aus den Bilder herausgenommen und in braunes Wachs gegossen.

Auf dem anderen Tisch liegen mehrere Schichten schneeweißen Transparentpapiers. Doch dessen Würde ist nicht unangetastet geblieben: Das Papier ist über und über bedeckt mit rußschwarzen Fingerabdrücken, auch Brandflecken. Stammen sie von eben jenen Händen? Unter der Oberfläche häufen sich die Abdrücke dramatisch, zeugen von hektischeren Griffen, vom gemeinsamen Zupacken – bis in die tiefsten Schichten des Materials haben die Fleißigen ihre Spuren hinterlassen. SyS