Friedensfarce mit den Paramilitärs

In Kolumbien will die Regierung von Präsident Alvaro Uribe ab dem 1. Juli mit den rechten Paramilitärs verhandeln. Beobachter sind nicht zugelassen, und Kritiker fürchten, dass die Gespräche den Milizen vor allem die Straflosigkeit bescheren

VON INGO MALCHER

Alvaro Uribe ist ein Mann des Wortes. Als Kolumbiens Präsident vor zwei Jahren sein Amt übernahm, hatte er eine Botschaft: Eine Zone, aus der sich der Staat zurückzieht, um mit bewaffneten Gruppen zu verhandeln, werde es mit ihm nicht geben. Sein Vorgänger Andres Pastrana hatte der Farc-Guerilla ein Gebiet der Größe der Schweiz überlassen, um einen Friedensvertrag auszuhandeln. Vielleicht passte Uribe nicht, dass Pastrana mit der Guerilla verhandelte. Jedenfalls befahl Uribe gegen alle Ankündigungen vor einigen Wochen seinen Truppen, das Gebiet um den Ort Santa Fe de Ralito, 750 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bogotá, zu räumen. Ab dem 1. Juli wollen dort Regierung und rechtsextreme Paramilitärs Friedensgespräche führen. Die Milizen kontrollieren damit ein Gebiet so groß wie Bremen.

Der Friedensprozess zwischen Paramilitärs und Regierung wird in Kolumbien heftig kritisiert. Menschenrechtler in Bogotá sprechen von einer „Farce“. Camilo Gómez, Friedensbeauftragter der vorherigen Regierung, kritisiert die fehlende Transparenz. Weder Medien noch Nichtregierungsorganisationen sind als Beobachter zugelassen. „Hier gibt es keinen Friedensprozess als solchen, auch keine Lösung des Konflikts“, sagte Gomez dem Sonntagsblatt El Espectador. Es sei völlig unklar, worüber beide Seiten sprechen würden.

Der Annäherungsprozess zwischen Regierung und Paramilitärs ist von Pleiten begleitet. Bereits Ende 2003 entwaffnete die Regierung eine Gruppe rechter Paramilitärs in der berüchtigten Comuna 13 von Medellín. Die sollte damit befriedet werden. Doch entwaffnet wurden nur die unteren Chargen. Die Anführer blieben unbehelligt. So gibt es bis heute Paramilitärs in Medellín, die Jagd auf vermeintliche linke Guerilleros machen.

Auch den von Uribe Ende 2003 als Bedingung für Verhandlungen geforderten Waffenstillstand brachen die Paramilitärs. Zwar verzichteten sie auf Angriffe gegen Militär, nicht aber gegen Zivilisten. So gab es während des Waffenstillstands Massaker.

Uribes Ziel ist es, dass die etwa 17.000 Paramilitärs bis Ende 2005 ihre Waffen abgeben und sich ins Zivilleben eingliedern. Doch dieser Prozess, kritisieren Menschenrechtler, sichere den Paramilitärs vor allem Straflosigkeit. So wurde kürzlich eine Strafrechtsreform verabschiedet, die für die Paramilitärs wie maßgeschneidert ist. Staatsanwälte können von einer Anklage absehen, wenn ein Beschuldiger ihnen Informationen gibt. Und kurz vor Beginn der Verhandlungen hob ein Präsidialdekret die Haftbefehle gegen Paramilitär-Führer auf, obwohl die Staatsanwaltschaft ihnen Massaker an Zivilisten vorwirft. Und die rechten Rebellen drängen darauf, dass sich auch ein US-Vertreter mit an den Verhandlungstisch setzt. Denn die USA haben gegen viele von ihnen Auslieferungsanträge wegen Drogenhandels gestellt. Auch das würden die Paramilitärs gern wegverhandeln.

Dabei wäre ein Friedensabkommen zwischen Paramilitärs und der Regierung relativ einfach, meinen viele: Man müsste den rechten Freischärlern einfach nur den Befehl geben, die Waffen ruhen zu lassen. Sie haben sehr enge Verbindung zu den Streitkräften. Dies dokumentieren die Berichte des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCR) immer wieder. Sie zeigen, dass in den vergangenen Jahren gemeinsame Aktionen von Militärs und Paramilitärs zunahmen. Und rücken beide nicht gemeinsam an, drücken die Militärs oft beide Augen zu und lassen die Milizen gewähren.

Daran ändern die Verhandlungen nur wenig. Sollte es zum Friedensvertrag zwischen Paramilitärs und Regierung kommen, hätte die Armee nicht genug Kapazitäten, um die von den rechten Milizen bislang kontrollierten Gebiete zu kontrollieren, meint ein Militärexperte. Daher meint ein europäischer Diplomat in Bogotá: „Die Paramilitärs wird es weiter geben.“

Nur einer fehlt: Carlos Castaño, der Führer der rechten Rebellen ist verschwunden. Bei einem angeblichen Attentat gegen ihn sollen Ende April sechs Menschen ums Leben gekommen sein. Ihre Leichen wurden aber nie gefunden. Castaño soll sich inzwischen nach Israel abgesetzt haben. Unklar ist jedoch, wie es ihm gelang, aus dem kolumbianischen Untergrund ins Ausland zu gelangen. Er wird von den USA mit internationalem Haftbefehl gesucht, unter anderem wegen Drogenhandels. Der frühere Friedensbeauftragte der Regierung, Gómez, hat deshalb große Zweifel. „Wir erleben eine Diskussion mit einer Gruppe von Paramilitärs, die vom Drogenhandel durchsetzt ist“, sagt er. „Aber wir erfahren nicht, worüber diskutiert wird“.