Grüne schubsen Schmidt an

Krista Sager verlangt, die Finanzierung des Gesundheitssystems noch in dieser Regierungsperiode umzukrempeln. Gesundheitsministerin Schmidt dagegen sieht vor 2007 keinen Handlungsbedarf

BERLIN taz ■ Plötzlich steht die Zukunft auf dem Programm: Um die Finanzierung des deutschen Gesundheitssystems ist ein Streit in der Regierung ausgebrochen. Grünen-Fraktionschefin Krista Sager sagte am Wochenende, diese Frage müsse noch in dieser Legislaturperiode, also bis 2006, entschieden werden. Daran führe „kein Weg vorbei“, erklärte sie der Bild am Sonntag.

Damit widersprach Sager Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Schmidt geht davon aus, dass die letzte Woche vorgelegte Sparreform „bis 2007 hält“. Eine Finanzreform müsse erst „spätestens 2010 stehen“, sagte Schmidt dem Focus.

Die Grünen sehen die Chance gekommen, die „Bürgerversicherung“ einzuführen. Diese würde die gesetzliche Krankenversicherung auf die ganze Bevölkerung ausdehnen und alle Einkommensarten einbeziehen. Auch der CSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer hat sich schon zur Bürgerversicherung bekannt – zum Entsetzen der CDU, die als Zukunftsmodell eher die „Kopfpauschale“ befürwortet. Diese sähe einen Einheitssatz für alle Versicherten vor.

In der Rürup-Kommission zur Sanierung der Sozialsysteme wird zurzeit durchgerechnet, was welches Modell wen kostet. Am 28. August werden Kommissionschef Bert Rürup – Kopfpauschalist – und sein Gegenspieler Karl Lauterbach – Bürgerversicherer – der Gesundheitsministerin ihren Zahlenberg vor die Füße schaufeln. Rürup warnte gestern jedoch gegenüber der taz davor, zu glauben, dass es bald eine Entscheidung gebe: „Die Debatte ist verfrüht“, sagte Rürup. „Bevor man mehr Geld ins System tut, muss man das System selbst fit machen.“ Rürup verwies auf die Aufgaben, die in der jüngsten Reform liegen geblieben sind: „Positivliste, Qualitätskontrollen, Liberalisierung des Arzneimittelmarkts, Wettbewerb zwischen den Ärzten“.

Lauterbach dagegen sagte zur taz: „Je länger die Politiker warten, desto mehr Einschnitte werden sie vertreten müssen.“ Deshalb sei es überhaupt nicht zu früh für eine Finanzreform. Die SPD dürfe nicht verkennen, dass die Sicherung der Sozialsysteme zu ihren Kernkompetenzen zähle – „das Feld darf sie nicht den Grünen und den Konservativen überlassen“, sagte Lauterbach.

Ziel von Kopfpauschale wie Bürgerversicherung ist es, die Finanzierung des Gesundheitssystems von den Arbeitnehmerlöhnen abzukoppeln und auf eine breitere Basis zu stellen. Während die Bürgerversicherung jedoch die private Versicherungswirtschaft zurückdrängen soll, wird die Kopfpauschale die Privatkassen erst einmal unangetastet lassen: Ihre Befürworter plädieren dafür, zunächst nur gesetzlich Versicherte einzubeziehen. UWI

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