von den knitterkerlen von JOACHIM SCHULZ
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Zugegeben: So manches, was in meinen frühen Jahren meinen striktesten Widerstand herausgefordert hat, betrachte ich mittlerweile als durchaus sinnvoll: Die regelmäßige Körperreinigung beispielsweise ist absolut unverzichtbar, wenn man mit amourösen Absichten unterwegs ist und sich nicht schon von vornherein aller Chancen selbst berauben will. Auch Friseurbesuche halte ich inzwischen für eine vernünftige Übung, da ich nur wenig Spaß daran habe, mich bei Spaziergängen mit den Schuhen in den hinabhängenden Zotteln zu verheddern und mich der Länge nach auf die Nase zu legen. Und auch das Zähneputzen ist mir zu einer heiligen Pflicht geworden, obwohl sich – wie die immer wiederkehrenden, radikalen und in stupendem Maß dolorösen Eingriffe meines Dentisten beweisen – die Kindheitssünden durch späten Eifer nicht mehr wettmachen lassen.

Eins aber lehne ich heute noch genauso schroff ab wie zu meiner Dreikäsehochzeit: Es ist das Bügeln. Noch nie ist es mir eingefallen, ein Plätteisen in die Hand zu nehmen. Allein der Gedanke daran versetzt mich umgehend in die Stimmung eines Grizzlybären, der uneingeladene Besucher in seiner Höhle überrascht hat. Selbst die lustigen Kumpane vom Extreme- Ironing-Club (das sind die Jungs, die sich Bügelbretter auf den Rücken schnallen und den Watzmann besteigen, um dort auf dem Gipfel ihre Hemden zu plätten) können daran nichts ändern: Bügeln? Ich sage nein!

Verantwortlich für diese radikale Verweigerungshaltung ist mit ziemlicher Sicherheit meine Mutter, die mindestens früher einmal eine große Plätterin gewesen ist. Sie zwang ausnahmslos jedes Kleidungsstück unters dampfende Eisen, selbst Unterhosen und Socken wurden von ihr in Form gebracht und geglättet. Gleichzeitig aber lamentierte sie unausgesetzt über die kolossalen Wäscheberge, die der Bearbeitung harrten, und so wurde ich mir schon damals, als ich noch Matchbox-Autos unter Absonderung von „Brm, brm“-Geräuschen über den Küchenboden rollern ließ, klar darüber, dass das Bügeln eine von Luzifer persönlich ins Diesseits gesandte Plage sein müsse.

„So what?“, mögen Sie jetzt sagen: „Wen kümmert’s?“ Die kompromisslose Bügelfeindschaft aber ist gerade in sozialer Hinsicht nicht von marginaler Bedeutung. Denn selbstverständlich brauchen wir Knitterkerle an mögliche Karrierechancen keinen Gedanken zu verschwenden – oder anders gesagt: Wer ungebügelt zu einem Bewerbungsgespräch für eine Position erscheint, deren Ergatterung zu einem gehörigen Klingeln in der Privatschatulle führte, der könnte sich ebenso gut einen gebrauchten Kaffeefilter als Hut aufsetzen. Bekommen jedenfalls wird er die Stelle nicht.

Insofern gäbe die gruppenspezifische Haltung zum Plättbrett vermutlich sogar ein neues, höchst avantgardistisches Instrument zur Gesellschaftsanalyse ab. Schon kommt mir denn auch ein Vers von Hugo von Hofmannsthal in den Sinn: „Manche freilich müssen drunten sterben, / wo die schweren Ruder der Schiffe streifen.“ Und ich ergänze: Nämlich wir, die Zerknitterten.