frisches flimmern
: Barrieren in Streifen

Zwei Filme mit Protagonisten, die traditionelle Grenzen eines Genres überschreiten.

Grenzen und Meinung

„Rambos“ Bomben haben Afghanistan zerstört. Die Menschen hausen jetzt in Ruinen und Flugzeugwracks. Nur die festgefahrenen, traditionellen Gesellschaftsstrukturen stehen noch. Die iranische Regisseurin Samira Makhmalbaf (“Die schwarzen Tafeln“) will mit ihrem neuen Spielfilm „Fünf Uhr am Nachmittag“ einen korrigierenden Gegenpol zur herrschenden Meinung in den Medien schaffen. „Die Medien bombardieren uns mit einseitigen Meinungen, mit Klischees, und da die Nachrichten die Analyse derselben ersetzen, beginnen alle, allmählich wie Bush zu denken“, sagt die Filmemacherin. Gedreht wurde im Herbst 2002 mit Laiendarstellern am Stadtrand von Kabul, kurz nach dem Sturz des Taliban-Regimes. Sie erzählt die Geschichte von Nogreh (Aghele Rezaie), einer jungen Frau, die mit ihrem Vater und ihrer Schwägerin (Marzieh Amiri) und dessen krankem Kind im heutigen ärmlichen Kabul lebt. Sie warten, dass Noqrehs Bruder aus Pakistan zurückkehrt. Ihr Vater begleitet sie regelmäßig zur Koranschule. Doch Noqreh zieht lieber ihre weißen, hochhackigen Sandalen an und geht heimlich zur Mädchenschule. Sie rebelliert gegen die Tradition und will Präsidentin werden. Als die Nachricht vom Tod des Bruders eintrifft, will der gottesfürchtige Vater in seiner Not die Kriegsruinen von Kabul verlassen. Noqrehs hoffnungsvolle Träume zerplatzen. Ihre Zukunft erscheint düster. „Wie könnte ich optimistisch sein und warum sollte der Film, wie Rambo, mit der Befreiung Afghanistans enden?“, fragt Makhmalbaf. Sie entwirft mit ihrem Spielfilm ein authentisches Bild von der Region: Sie zeigt auch Männer, die sich noch zur Wand drehen, wenn eine Frau an ihnen vorbeiläuft.

Grenzen und Mystik

Der traditionelle Western-Film ist längst tot. Alle Grenzen scheinen abgesteckt. Doch von Zeit zu Zeit beleben neue Filme das Genre. Diesmal erweitert „Blueberry - und der Fluch der Dämonen“ das Spektrum. Wie schon „The Missing“ entdeckt auch der niederländische Regisseur Jan Kounen (“Dobermann“) den indianischen Schamanismus für sich. Er ließ sich dabei von den Blueberry-Comics von Jean Giraud und Jean-Michel Charlier inspirieren und schuf einen europäischen Wildwestfilm. Wieder einmal tritt das Gute gegen das Böse an. Mit dem Kult-Comic hat der Film allerdings wenig gemein, auch wenn Kounen eine ähnliche Figur geschaffen hat. Der Westerner Mike Blueberry war für ihn lediglich eine Vorlage. „Wenn Jean Giraud auch nur leichte Zweifel gekommen wären, hätten wir die Namen geändert und ganz auf den Blueberry-Hintergrund verzichtet“, sagt der Filmemacher. Die Geschichte beginnt mit einer Rückblende: Es ist Nacht in der kleinen Westernsiedlung Palomito. Der junge Mike Blueberry (Vincent Cassel) trifft sich mit seiner großen Liebe Lola (Nichole Hiltz). Sie werden von einem Revolverhelden namens Wally Blount (Michael Madsen) gestört, der die Dienste der Prostituierten Lola einfordert. Es kommt zum Krach zwischen den Männern. Ein Feuer bricht aus und Lola stirbt bei dem Schusswechsel. Blueberry selbst flieht schwer verletzt und traumatisiert in die karge Wüstengegend, wo er von Indianern gefunden wird. Er lernt die Lebensweise des Stammes kennen und der Medizinmann erzählt ihm vom alten Wissen der Ureinwohner. Jahre später ist Mike Blueberry Marshall im kleinen Örtchen Palomito. Eines Tages taucht der Bösewicht Blount erneut auf, um einen geheimnisvollen Schatz der Indianer zu stehlen. Gesetzeshüter Blueberry macht sich gemeinsam mit dem Indianer-Schamanen Runi (Temuera Morrison) und der Tochter des reichen Saloon-Besitzers Maria (Juliett Lewis) auf in die heiligen Berge, um den Mörder zu stoppen. Doch zunächst muss sich Blueberry seinen eigenen Dämonen stellen. Jan Kounen schuf einen mystischen Western, der die traditionelle Vorstellungswelt hinterfragt. Eine Inspirationsquelle waren die Bücher Carlos Castanedas. Die Kamera fängt eindrucksvolle Bilder von der Weite Mexikos ein. Die vom Computer animierte psychedelische Schluss-Sequenz erinnert an Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“. Doch die endlosen Gebilde aus Würmern, Krokodilen und Schlangen sind enttäuschend und langatmig. Der französische Star Vincent Cassel ähnelt als qualmender, verwegener Held Clint Eastwood. STEFAN ORTMANN