„Stark im Norden“ soll SPD retten

Heide Simonis und ihre SPD präsentieren das Programm für die Schleswig-Holstein-Wahl. Und leugnen nicht, „in derselben Partei zu sein wie Gerhard Schröder“

Kiel taz ■ Als die schleswig-holsteinische SPD gestern ihr Programm für die Landtagswahl im Februar 2005 vorstellte, da kramte der Landesvorsitzende Claus Möller den verstorbenen Altkanzler Willy Brandt aus der sozialdemokratischen Historienkiste: „Wir sind Brandt gefolgt und präsentieren Visionen“, sagte Möller. Und Visionen hat die SPD im nördlichsten Bundesland offensichtlich nötig, denn alles deutet auf eine Niederlage im kommenden Jahr hin.

Laut einer Umfrage des dimap-Instituts kann die Regierungsmannschaft um Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) gerade mal mit 31 Prozent rechnen, die CDU-Opposition mit 48 Prozent. Dazu kommt der Gegenwind aus Berlin, mit dem auch Simonis rechnen muss. „Ich kann nicht leugnen, dass Gerhard Schröder und ich in derselben Partei sind“, kommentierte die Regierungschefin, die ihren Genossen in der Hauptstadt „handwerkliche Fehler“ etwa bei der LKW-Maut vorwirft.

Richten wollen Simonis und ihre Partei es nun mit dem Programm „Stark im Norden – Fünf Leitbilder für Schleswig-Holstein“. Auf 47 Seiten wird die Abkehr von der Bundespolitik der SPD propagiert: „Kiel ist nicht Berlin“ steht da, das Land zwischen den Meeren sei sturmerprobt und stark. Passend dazu beharrt der Landesvorsitzende Claus Möller darauf, dass die Sozialdemokratie „sehr wohl“ noch die Partei der sozialen Gerechtigkeit sei.

Um diesem Anspruch auch gerecht zu werden, hat die SPD sich für den Fall der Wiederwahl vorgenommen, mit einer „aktiven Arbeitsmarktpolitik“ etwa gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorzugehen. Und auch der im März von Simonis vorgestellte „10-Punkte-Plan für ein einfaches Steuersystem“ wird für den Wahlkampf recycelt – durch „Initiativen auf Bundesebene“ soll die Steuervereinfachung doch noch realisiert werden. Der Standort Deutschland würde dann durch Senkung der Lohnnebenkosten attraktiver, die durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer finanziert wäre.

Ähnliches gilt auch für die Ende vorigen Jahres gestartete Initiative „Zukunft Meer“. Nach der Vorstellung der Sozialdemokraten soll in Schleswig-Holstein in Anlehnung an das Silicon Valley das „Aqua Valley“ entstehen, indem die maritime Wirtschaft und Wissenschaft gefördert wird. Durch die feste Fehmarnbeltquerung und den Bau der Küstenautobahn A20 soll sich der Norden der Republik in eine „Logistikdrehscheibe“ verwandeln. Geplant ist auch, bis zum Jahr 2010 die Hälfte des Strombedarfs im Land durch regenerative Energien – etwa Windkraft und Erdwärme – zu decken.

Auch Bildungspolitiker Lothar Hay hat seinen Teil zum Programm beigetragen: Die schon Anfang des Jahres auf einem Bildungsparteitag beschlossene „Schule für alle“, in der alle Schüler bis zur zehnten Klasse gemeinsam lernen, soll ebenso zum Wahlsieg beitragen wie eine „Unterrichtsgarantie“, nach der Stundenausfälle ab 2008 der Vergangenheit angehören.

Pläne haben die Genossen auch für den Wirtschaftsfaktor Tourismus. Bis 2010 soll die erste deutsche „Bundeswasserschau“ statt finden, die der Idee der Bundesgartenschau ganz ähnlich ist. Weiterhin soll ein „Water-Science-Center“ ebenso wie ein Winter-Marketing-Programm Besucher ins Land locken.

Dass der Programmentwurf der SPD, der am 24. Oktober vom Landesparteitag abgesegnet werden soll, der Opposition viel Angriffsfläche bietet, zeigte sich schon wenige Stunden nach der Vorstellung. „Der Programmentwurf ist unglaubwürdig“, meckerte der CDU-Landtagsabgeordnete Johann Wadephul. Und FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki glaubt schlicht: „Die SPD hat ihre Zukunft längst hinter sich.“ Timm Schröder