Little Big City Bad Salzau

Bei der 14. JazzBaltica spielt Dave Holland mit Herbie Hancock in einem Quartett, und Dianne Reeves zeigt sich mit ihrem Piano-Trio. Auch das skandinavische Sängerinnen-Wunder lässt sich in Gestalt von Viktoria Tolstoy und Silje Nergaard blicken. Grund genug, Bad Salzau mit großen Buchstaben auf der Jazzlandkarte einzutragen

Wenn statt Kartographen Jazzmusiker Landkarten erstellen würden, sähe die Deutschlandkarte wohl ganz anders aus. Nicht Größe und Fläche der Städte bestimmten dann die Proportionen, sondern die Bedeutung der einzelnen Orte für den Jazzcurcuit. Und plötzlich sähe man neben den großgeschriebenen und rot markierten Großstädten einen ebenso dicken roten Flecken namens Bad Salzau. Das beschauliche Städtchen ist ein wichtiger, vielleicht gar der wichtigste Jazz-Ort der Republik, findet hier doch alljährlich eines der renommiertesten europäischen Jazzfestivals statt: die JazzBaltica. Nach vierzehn Jahren hat sich das Jazzfestival fest neben ähnlichen Veranstaltungen wie dem North Sea oder Montreux Jazzfestival etabliert.

Ein deutliches Zeichen dafür ist das stets hochkarätig besetzte Line-Up. Das ist auch in diesem Sommer wieder so. Vor allem der diesmalige „Hauptact“ ist in jeglicher Hinsicht nicht mehr zu toppen. Mit dem Quartett Shorter/Hancock/Holland/Blade gastiert eine Band, über die sich tatsächlich nur in Superlativen sprechen lässt. Saxofonist Wayne Shorter, Pianist Herbie Hancock und Bassist Dave Holland kennen sich schon aus ihrer Zeit mit Miles Davis in den späten 60er Jahren und sind längst zu Musikern avanciert, mit denen gespielt zu haben für andere Musiker als höchste Referenz gilt. Auch Drummer Brian Blade ist ein solcher „Referenzmusiker“, wenn auch um einiges jünger als seine drei Kollegen. Der studierte Anthropologe gehört einer neuen Generation des US-Jazz an und ist ähnlich wie etwa Joshua Redman oder Roy Hargrove im Hardbop ebenso heimisch wie in poppigen Gefilden, wie seine Mitarbeit als Drummer und Produzent bei Norah Jones zeigt. Von diesem Quartett darf man alles erwarten: lebendige US-Tradition, Virtuosität in Verbindung mit unbegrenzter Musikalität, und ein nie manieriertes Spiel, dem zu folgen bisweilen trotzdem fast unmöglich ist.

Der zweite „Hauptact“ des Festivals ist dieses Jahr Sängerin Dianne Reeves. Als „artist in residence“ ist die einstmals als Sechzehnjährige entdeckte Vokalistin bereits seit einiger Zeit in Bad Salzau und bereitet ein vielseitiges Programm vor. Neben Auftritten mit ihrem eigenen Pianotrio wird sie eigens für die JazzBaltica erarbeitete Projekte präsentieren. Erfreulich ist dabei, dass auch ungewöhnliche Formate gefeatured werden. An dem gemeinsamen Abend mit Bobby McFerrin werden unter anderem Schlagzeug-Gesangs-Duette zu hören sein, und beim sonntäglichen Abschlusskonzert wird sie zusammen mit ihrer Kollegin Caecilie Norby die „Salzau Dialoge“ führen, sprich wiederum Duette, mal mit Gitarre, mal mit Bass.

Gesang, „Voices Of Jazz“ – so das Motto der JazzBaltica 2004 –, bildet dieses Mal überhaupt den Schwerpunkt in Salzau. Da gehen die Organisatoren ganz konform mit dem Jazztrend der Zeit, der auch die endgültige Emanzipation des europäischen Jazz mit sich bringt. Vielleicht hat man darum neben den oben genannten US-Stars überwiegend europäische Sängerinnen wie Viktoria Tolstoy, Silje Nergaard, Ulita Knaus, Caecilia Norby, Hedvig Hanson und Roberta Gambarini eingeladen.

Und natürlich sind da noch Acts wie das von der New Yorker Village Voice als „Zukunft des Jazz“ titulierte Jason Moran Trio, die von der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichneten „L 14,16“ aus Mannheim oder das Don Friedman Salzau Trio, das den Pianisten mit Bassist Martin Wind und Schlagzeugerin Terry Lyne Carrington zusammenführt. Allesamt sehenswerte Gruppen, die dazu beitragen, dass Bad Salzau auf der Jazzlandkarte in großen Lettern geschrieben steht. Gerd Bauder

ab Do, 1. Juli, Programm unter www.jazzbaltica.de