Werft auf Schlingerkurs

HDW in Kiel in schweren Turbulenzen: US-Besitzer wollen Werft verkaufen, Kritiker fürchten eine Zerschlagung. 750 Jobs sind auf jeden Fall verloren

Der Traum vom großen deutschen Werftenverbund könnte platzen

Kiel taz ■ Wenn in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten von der großen deutschen Werftenkrise die Rede war, wurden die Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) in Kiel meist davon ausgeklammert. Die größte deutsche Werft steuerte weiter auf Kurs, während um sie herum die Hiobsbotschaften im deutschen Schiffbau einschlugen wie Granaten. Doch diese Schonzeit ist vorbei: Jetzt beherrschen auch in Kiel die Stichworte Zerschlagung, Stellenabbau und Existenzangst die Szenerie. Der US-Besitzer OEP will sich zurückziehen und erwägt, die einzelnen Sparten an unterschiedliche Investoren zu verscheuern – Franzosen und Chinesen haben bereits ihr Kaufinteresse angemeldet. Damit wäre der Traum vom großen deutschen Werftenverbund endgültig ausgeträumt.

Gestern wurde eine für heute geplante Aufsichtsratssitzung abgesagt. Und der Auftrag für den Bau von vier Containerschiffen für die Hamburger MPC-Gruppe ist auch geplatzt. Weil die IG Metall einem Lohnverzicht für alle Mitarbeiter nicht zugestimmt hat, hat der Vorstand gestern im Gegenzug den Auftrag wieder abgeblasen.

750 der bislang noch 3.400 Beschäftigten werden auf jeden Fall ihren Job verlieren – das hat die Geschäftsleitung beschlossen, egal wer sich das Kaufobjekt HDW nun sichern wird. Die Krise im Handelsschiffbau, die bereits zum Schrumpfen der anderen deutschen Werften geführt hat, muss als Argument dafür herhalten. Eigentlicher Grund für die Malaise bei HDW dürfte aber sein, dass zuviel Geld von der Werft in die marode Konzern-Schwester Babcock Borsig umgeleitet wurde. Ein Fass ohne Boden – Babcock ging trotzdem pleite und hat nun auch HDW mit in den Strudel gerissen. Dazu kam, dass zwei lukrative Aufträge kurzfristig platzten – die US-Mutter OEP musste noch einmal einen dreistelligen Millionenbetrag nachlegen, um die Werft am Leben zu halten.

Den Amerikanern reichte es damit: Den Verlustbringer HDW wollen sie nun loswerden und nahmen dafür zunächst Verbindung zum Thyssen-Konzern auf. Ein Käufer, der auch der Bundesregierung am liebsten wäre. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte im Jahr 2000 bei einer maritimen Sonderkonferenz in Emden verkündet, die Regierung unterstütze alle Bemühungen, einen deutschen Werftenverbund zu bilden. Ein Verbund, der nur über HDW und die zwei Thyssen-Werften Blohm&Voss in Hamburg und Thyssen Nordseewerke in Emden funktionieren kann. Doch diesem Verbund könnten die französische Werft DCN oder Interessenten aus Fernost einen Strich durch die Rechnung machen. Im Rennen ist auch der französische Rüstungsriese Thales, der an der U-Boot-Sparte interessiert ist. Wenn die amerikanischen Besitzer den U-Boot-Bereich an Thales verkaufen – und einiges spricht dafür – würde HDW in seine Einzelteile zerlegt.

Der Fraktionschef der Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag, Karl-Martin Hentschel, hat deswegen schon mal die Parole ausgegeben: „Die Zerschlagung von HDW muss unter allen Umständen verhindert werden.“ Hentschel befürchtet akute Nachteile für den Standort Kiel – wenn die U-Boot-Sparte erst einmal Richtung Frankreich verkauft sei, würden eventuell auch die Arbeitsplätze aus Schleswig-Holstein irgendwann verschwinden. SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis will sich direkt nach ihrem Urlaub am 14. August mit den HDW-Managern zusammensetzen, um über die Zukunft des Unternehmens zu beraten. PETER AHRENS