Ängstliches Atmen in Blumenthal

„Ermessensspielräume für eine Versagung gibt es hier nicht“: Die Stadtbürgerschaft diskutierte gestern die umstrittene Sondermüllverbrennungsanlage in Bremen-Nord. Eine „Kommission“ soll dort künftig die Luftbelastung überwachen

Bremen taz ■ Am Ende war der Umweltsenator der Buhmann. Jens Eckhoff (CDU) erteilte vergangene Woche die von der Firma Brewa Umweltservice GmbH, einer Tochter der Baumwollkämmerei, beantragte Änderungsgenehmigung für eine Sondermüllverbrennungsanlage in Blumenthal. Neben pestizidbelasteten Wollwaschwassern wird dort giftiger flüssiger Abfall aus der gesamten Bundesrepublik verbrannt. „Nach gründlicher fachlicher Prüfung aller technischen Voraussetzungen“ dürfe die Brewa ihre Anlage wie gewünscht umstellen, hatte das Eckhoff-Ressort mitgeteilt.

Auf Antrag der Grünen hat die Stadtbürgerschaft nun gestern in einer Aktuellen Stunde über Blumenthal als „Standort für Sondermüllverbrennung“ diskutiert. Grünen-Umweltexpertin Karin Mathes wertete die Eckhoff-Erlaubnis als „entscheidende Weichenstellung“ mit „großen stadtentwicklungspolitischen Konsequenzen“. Die Entscheidung der Behörde sei „aus umwelt und gesundheitspolitischer Sicht“ inakzeptabel. „Wenn der politische Wille ernsthaft da gewesen wäre, eine solche Weichenstellung zu verhindern, dann wäre das auch möglich gewesen“, klagte Mathes.

Die Bremen-Norder SPD-Abgeordnete Ursula Arnold-Cramer sprach von einem „sicherlich nicht einfachen Thema“. Auf der einen Seite sei die Baumwollkämmerei „ein großer Arbeitgeber“ für Blumenthal und insoweit ein Garant „für die Schaffung und Sicherung von vorhandenen Arbeitsplätzen“. Die Kritiker der Anlage wiederum argumentierten damit, „dass durch die Emission von giftigen Gasen und Feinstäuben die Bevölkerung einem erheblichen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt werde“, so Arnold-Cramer.

Um eine Betriebserlaubnis zu erhalten müssten Sondermüllverbrennungsanlagen strenge Kriterien erfüllen, so die SPD-Frau. Erfülle ein Betreiber diese Kriterien jedoch, dann habe er einen Rechtsanspruch auf Genehmigung: „Ermessensspielräume für eine Versagung gibt es hier nicht“.

Gleichwohl müsse schnellstmöglich geklärt werden, ob Atemwegserkrankungen und Allergien von Kindern in Blumen-thal „Auffälligkeiten“ zeigten, so Arnold-Cramer. Auch „eine Aussage über die mögliche Erhöhung der Krebshäufigkeit in Bremen-Nord“ sei notwendig.

„Wir von der CDU-Fraktion wollen keinen Sondermüllverbrennungsstandort Bremen-Nord“, beteuerte CDU-Mann Frank Imhoff. Man nehme die „Ängste und Sorgen der Bevölkerung mehr als ernst“. Wer sich allerdings „im Namen des Gesetzes“ verhalte, „dem ist auch nichts anzukreiden“. Im Übrigen sei nicht der Bremer Senat für die Grenzwerte des Bundesimmissionsschutzgesetzes zuständig, sondern der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin. „Und der kommt doch aus Bremen-Nord“, ätzte Imhoff.

Redner aller Fraktionen unterstützten die Empfehlung des Petitionsausschusses, eine „Kommission zum Immissionsschutz in Bremen-Nord“ einzusetzen. Eine solche Kommission soll die Verbrennungsvorgänge bei der Brewa kontrollieren und die Luftbelastung erfassen.

Auf der Besuchertribüne schüttelten fünf Vertreter der Blumenthaler Bürgerinitiative gegen die Verbrennungsanlage derweil enttäuscht die Köpfe. Und kurz, sehr kurz reckten sie den so beredten und besorgten Abgeordneten ein handgeschriebenes Protestposter entgegen. Darauf hieß es lakonisch: „Warum tut ihr uns das an? Auch wir wollen und müssen atmen.“

Markus Jox