dummheit mit möbeln
: Der Stuhlklau

Vielleicht hätten sie wenigstens den „VS Hubtisch 80 cm Birke Furnier“ stehen lassen sollen oder die drei „RT 2 OH 120 cm“. Zumindest hätten sie den RT nicht weiterverkaufen sollen, ohne vorher den Aufkleber „Bundestag“ abzumachen. Vielleicht wären sie dann nicht erwischt worden. Aber weil die beiden Möbelpacker Sven B. und Michael S. 14 Möbeltransporter mit Dingen voll luden, die solche Namen tragen, sitzen sie nun vor einem Strafrichter. Der Staatsanwalt liest eine lange Liste mit Zentimeterzahlen und Buchstabenkombinationen vor und kommentiert zwischendurch: „Was immer das auch sein soll.“

Die beiden wussten, was es war. Hubtisch und RT waren funktionale Möbelstücke, die dem deutschen Volk dienen sollten und ihm auch gehörten, genauer: dem Deutschen Bundestag. Die Angeklagten sollten Stühle, Tische und Schubladen im Reichstag abholen und nach Spandau ins Lager fahren. Bei der Gelegenheit hätten die Mitarbeiter des Bundestags öfter mal gesagt: „Der Stuhl gefällt mir nicht“ oder: „Der ist zu hart“.

Also dachten sich die beiden, das Zeug wird ohnehin nicht mehr gebraucht, und bevor es im Lager landet, könnten wir es ja nutzen. Zumal die Weihnachtszeit bevorstand, und die beiden noch keine Geschenke für ihre Kinder hatten. Auf ihren Listen stand der Kram auch nicht, das machte die Sache noch einfacher. Und so fuhren die Möbelpacker an einem Tag mal eben mit 94 Drehstühlen, Marke Martin Stoll, zum Zeitwert von insgesamt 11.144,29 Euro zum An- und Verkauf „Zweites Büro“. Für den Drehstuhl Zyco Leder zum Zeitwert von 759,28 Euro bekamen sie dort 7 Euro.

„Haben Sie denn nicht einmal versucht zu handeln?“, staunt der Staatsanwalt, und man merkt an seiner Art zu fragen, dass er Bundestagsmöbel auf wesentlich geschicktere Weise klauen würde. Nein, gehandelt haben die beiden nicht, und so kam es, dass sie für Möbellieferungen im Gesamtwert von 39.608,23 Euro nur 2.144 Euro bekamen. „So lohnt die ganze Sache doch gar nicht“, findet der Staatsanwalt.

Auch die beiden Angeklagten sehen nun, dass das nur kurzfristig ein guter Plan war, denn Weihnachtsgeschenke für die Kinder konnten sie von den 2.144 Euro erst mal schon kaufen. Langfristig gesehen war die Idee allerdings nicht so gut: Ihre Jobs haben sie verloren, neue sind auf dem recht engen Arbeitsmarkt der Möbelpacker nicht in Sicht, insbesondere da die Spediteure guten Kontakt untereinander haben und „sich so eine dumme Sache herumspricht“. So leben sie nun von Sozialhilfe, können den Kindern zum nächsten Weihnachtsfest weniger schenken und dürfen in den nächsten zwei Jahren gar nichts mehr klauen, nicht einmal ausrangierte Bundestagsmöbel. Denn dann würde nämlich die Bewährung widerrufen werden, und sie müssten die anderthalb Jahre Haftstrafe tatsächlich absitzen, die ihnen der Richter aufbrummte.

Den hat der Fall sehr interessiert: Weil er der Schadensliste entnehmen konnte, dass im Bundestag Besucherstühle billig und Mitarbeiterstühle teuer und hochwertig sind. Und weil er gemeinsam mit dem Staatsanwalt noch mal durchgehen konnte, wie es denn rechtlich aussieht, wenn er und seine Kollegen die Bänke und Stühle, die auf den Gerichtsgängen herumstehen, in ihr Büro schaffen. „Das haben wir neulich durchsubsumiert“, hat der Staatsanwalt ihm erklärt, „das ist nur eine Teilumwidmung und nicht strafbar.“ MAREKE ADEN