Wie Anna, aber besser

Die Russin Maria Scharapowa ist siebzehn und sieht gut aus. Vor allem aber: Sie weiß, wie man ein Tennisturnier gewinnt. In Wimbledon steht sie im Halbfinale

WIMBLEDON taz ■ Im Spiel hat sie die Intensität einer Monica Seles; drischt auf jeden Ball, als hinge von einen Schlag der Rest ihrer Karriere ab, fletscht die Zähne, stöhnt und schreit und hat einen Blick drauf, von dem man so wenig getroffen werden möchte wie von einem ihrer Bälle. Nach dem Spiel verbreitet sie Weisheiten mit der Selbstsicherheit einer Martina Navratilova; der Navratilova von heute wohlgemerkt, nicht der mit siebzehn, denn in dem Alter steckte die noch voller Komplexe. Und abseits des Spiels kommt man um den Vergleich mit Anna Kurnikowa kaum herum; in Russland geboren, in Florida gedrillt, lange Beine, blonde Haare und Model-Vertrag in der Tasche.

Es wäre sicher übertrieben zu sagen, Vergleiche prinzipiell und zu Kurnikowa im Speziellen seien Maria Scharapowa, 17, verhasst, aber ihre Meinung zu diesem Thema ist deutlich und erübrigt weitere Fragen. „Eine Tennis-Puppe zu sein, genügt mir nicht“, versichert sie mit bewusst kühlem Blick. „Natürlich sehe ich gern gut aus auf dem Platz, aber ich bin da, um zu gewinnen, nicht um sexy zu sein.“ Das hat sie schon vor einem Jahr in Wimbledon in ähnlicher Form gesagt, als sie in der Welt des Tennis ihren ersten großen Auftritt feierte und bis in die vierte Runde kam, aber inzwischen haben ihre Wort mehr Gewicht. Zwei Titel hat sie 2003 gewonnen, vor kurzem beim Rasenturnier in Birmingham folgte Nummer drei, und auch bei den Grand-Slam-Turnieren geht es zügig voran: dritte Runde bei den Australian Open zu Beginn dieses Jahres, Viertelfinale in Paris, nun in Wimbledon zum ersten Mal Halbfinale – und was daraus werden soll, wenn auch vielleicht noch nicht in diesem Jahr, ist keine Frage. „Ich will Wimbledon gewinnen“, sagt Scharapowa, „das ist Fakt.“

Vermutlich hat sie, wie jeder Mensch, gelegentlich auch Zweifel, aber in ihrer knallharten Entschlossenheit, in ihrer Überzeugung, sehr bald die Beste der Welt zu sein, steht sie den Williams-Schwestern in nichts nach. Vielleicht liegt das an den vergleichbar harten Umständen, unter denen sie aufgewachsen ist. Sie war sieben, als sie an die Hand ihres Vaters Juri geklammert in Miami aus dem Flugzeug stieg, um im gelobten Land eine gute Spielerin zu werden. Es sei ein großes Opfer gewesen, Russland zu verlassen und nach Amerika zu ziehen, hat sie dieser Tage gesagt, aber solche Entscheidungen seien unbezahlbar für die Entwicklung der Persönlichkeit. „Wenn du aus dem Nichts kommst und nichts hast, dann macht doch das sehr hungrig auf den Erfolg.“ Wenn andere vom Druck reden, den eigenen und fremden Erwartungen gerecht zu werden, dann zieht sie die Augenbrauen hoch und fragt: „Druck? Noch nie gehabt. Ich meine, wer hat schon in meinem Alter die Gelegenheit, aus seinem Leben so viel zu machen? Ich bin 17, und was habe ich in dieser Welt schon zu verlieren?“

Eine Niederlage im heutigen Halbfinale gegen Lindsay Davenport könnte daran nichts ändern, ein Spiel mit einer interessanten Konstellation übrigens. Davenport hat sieben Jahre lang bei jenem Mann trainiert, der auch bei Scharapowa die entscheidende Arbeit geleistet hat: Robert Landsdorp, einst auch Coach von Pete Sampras. Und was für Scharapowa nur ein Zwischenstopp auf dem Weg zum Ruhm sein kann, das könnte für Davenport, 28, die Endstation sein. Die Wimbledon-Siegerin des Jahres 99 (im Finale gegen Steffi Graf) ist seit einem Jahr verheiratet, hat zwei Operationen hinter sich und denkt an das Ende ihrer Karriere. Es sei sehr gut möglich, dass sie zum letzten Mal in Wimbledon spiele, hat sie gesagt.

Aber bei aller Aufmerksamkeit für Scharapowa und allen guten Wünschen für Davenport – wenn Serena Williams weiter so spielt wie gestern im nachgeholten Viertelfinale gegen Jennifer Capriati, dann ist alles weitere ziemlich berechenbar. Nicht mehr als eine feurige Dreiviertelstunde brauchte Williams vom ersten Break bis zum letzten Punkt zum 6:1, 6:1, und das Ergebnis gibt die Ereignisse der Partie recht treffend wieder. Vor vier Wochen bei den French Open hatte Capriati noch in drei Sätzen gewonnen, diesmal hatte sie nicht den Hauch des Hauches einer Chance. Was dazu führte, dass Williams im Halbfinale auf die Französin Amelie Mauresmo trifft, die gegen die Argentinierin Paola Suarez mit 6:0, 5:7 und 6:1 gewann. DORIS HENKEL