Eine Frage der Steuerung

Auch Befürworter der Autobahnmaut fürchten, dass viele Lkw auf Nebenstraßen ausweichen – und fordern Gegenmaßnahmen. Senatsverwaltung will notfalls auch auf Parallelstraßen Maut erheben

von STEFAN ALBERTI

In der Schöneberger Landesgeschäftsstelle des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht man dem 31. August mit gemischten Gefühlen entgegen. Dann soll bundesweit die Lkw-Mautpflicht beginnen. Die begrüßt der Verband zwar prinzipiell. Doch wegen der besonderen Situation Berlins mit seiner Stadtautobahn sieht BUND-Sprecherin Carmen Schultze Probleme auf die Stadt zukommen: „Wir befürchten, dass die Lkw auf andere Straßen ausweichen und sie verstopfen.“

Bundesweit erfüllt die Maut für alle Lastwagen über zwölf Tonnen eine BUND-Forderung: Die Kosten von Autobahnen abzubilden und für Chancengleichheit im Verkehr zu sorgen. Die Gebühr soll dazu beitragen, Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern. „Ich befürchte bloß, dass das nicht in kurzer Zeit umsetzbar ist“, sagt Schultze.

In Berlin aber sieht sie durch Lkw, die das Stadtgebiet parallel zu den Autobahnen kreuzen, zusätzlichen Lärm und Abgase auf die Anwohner zukommen. Der Verband fordert daher ein Lkw-Nachtfahrverbot in Wohnstraßen und ein Tempolimit. „Da ist die Senatsverwaltung gefordert, sich Maßnahmen zu überlegen“, sagt Schultze. Die Lösung könne aber nicht sein, die Maut auf der Stadtautobahn aufzuheben.

Das hatte vor fast zwei Jahren Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) gefordert. Der befürwortete zwar grundsätzlich die Maut, nannte den damaligen Gesetzentwurf der Bundesregierung aber einen „Anschlag auf die Mobilität in Berlin“. Kontraproduktiv sei die Maut in der Hauptstadt. Sollte sich daran nichts ändern, würde Berlin im Bundesrat ein Veto einlegen.

Trotz dieser großen Worte kommt die Maut ohne Ausnahme. Im Bundesverkehrsministerium hatte man Strieders Argumentation nicht folgen wollen: Es sei nicht damit zu rechnen, dass die Lkw durch die Innenstadt fahren würden, um die Mautgebühr zu sparen. Sie soll vorerst durchschnittlich 12,4 Cent pro Kilometer betragen.

Inzwischen gibt man sich auch in der Strieder-Verwaltung zurückhaltender in den Prognosen. Man wolle abwarten und die Entwicklung beobachten, sagt Jürgen Murach vom Grundsatzreferat für Verkehrspolitik. „Ich persönlich glaube nicht an einen dramatischen Verlagerungseffekt.“ Kommt es doch dazu, gebe es die Möglichkeit, auch auf parallel zur Autobahn verlaufenden Straßen Maut zu erheben.

Diese Forderung erhebt der grüne Verkehrspolitiker Michael Cramer: „Das lässt das Gesetz zu.“ Sein CDU-Kollege Alexander Kaczmarek bezweifelt diese Möglichkeit. Er hält es auch noch nicht für sicher, dass die Maut wie vom Bund geplant tatsächlich am 31. August eingeführt wird – ein Termin, auf den Strieders Senatsverwaltung drängt. Noch gestern Nachmittag dementierte das Verkehrsministerium Berichte über eine angebliche Verschiebung.

Auf einen späteren Termin drängt die Lkw-Lobby. Die Fuhrgewerbeinnung Berlin-Brandenburg erwartet zwar durch die Maut selbst kaum Verlagerungen. Trotzdem werden nach ihrer Einschätzung viele Lkw nicht auf der Autobahn fahren, weil das Abrechnungssystem auf sich warten lasse und die Alternativen zu kompliziert und zeitaufwendig seien (siehe Interview). Jürgen Murach von der Senatsverwaltung sieht darin nur Kinderkrankheiten des Systems, das für seine Behörde nur ein Zwischenschritt ist: „Mittel- bis langfristig ist es der beste Weg, wie in der Schweiz im gesamten Straßennetz Maut zu erheben.“