Robin Hood kämpft für mehr Staat

Mit der Teilöffnung der Energiekonzerne EDF und GDF hat die französische Regierung die Privatisierung des Sektors begonnen. Zugleich verschärft sie ihre Linie gegen die protestierenden Belegschaften. Diese setzen dagegen auf ausgefuchste Aktionen

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

In der Regierungssprache heißt die Operation verschämt „Teilprivatisierung“. So hat es Finanzminister Nicolas Sarkozy gewollt, der weiß, wie wichtig seinen Landsleuten der öffentliche Dienst ist. Doch die Franzosen wissen, dass das Augenwischerei ist: Was die rechte Mehrheit in der Nationalversammlung vorgestern verabschiedet hat und was am 7. Juli auch im ebenfalls mehrheitlich rechten Senat verabschiedet wird, bevor es in die zweite Lesung in beide Kammern geht, wird zur Privatisierung des Energiesektors führen.

Auch wenn im nächsten Jahr zunächst „nur“ 30 Prozent der Aktien auf den Markt kommen sollen, warten Spekulanten in aller Welt bereits auf die neuen Börsenwerte aus Frankreich. Unter anderem gehört auch der dichteste Atompark der Welt mit 58 Reaktoren dazu sowie ein Stromnetz, das in beinahe 60 Jahren in staatlichem Eigentum mit öffentlichen Mitteln immer wieder auf den neuesten Stand der Technik gebracht wurde.

Heute wollen die Gewerkschaften der 140.000 Beschäftigten von EDF (Strom) und GDF (Gas) erneut gegen die Privatisierung streiken. Es wird ihr siebter Aktionstag binnen drei Monaten. In den vergangenen Wochen haben sie die härtesten sozialen Proteste seit 20 Jahren organisiert: mit Streiks und Demonstrationen, mit Besetzungen und mit spektakulären Stromabschaltungen, die unter anderem PolitikerInnen und Unternehmen betroffen haben. Gestern Vormittag klemmten StromwerkerInnen vorübergehend den Saft für das Pariser Kongresszentrum ab, in dem UnternehmerInnen tagten. Zugleich organisierten andere Robin-Hood-Aktionen. Dabei werden zahlungsunfähige Stromkunden kostenlos beliefert. In diesem Rahmen werden gegenwärtig auch 25.000 MülhausenerInnen mit Billigstrom versorgt.

Die Regierung strebt nach der Abstimmung im Parlament nun ein härteres Vorgehen gegen die Protestierenden an. Premierminister Jean-Pierre Raffarin hat arbeitsrechtliche Konsequenzen verlangt. EDF-Chef Roussely, der sich für seine eigene Nachfolge an der Spitze der künftigen Aktiengesellschaft profilieren will, hat bereits drei StromwerkerInnen, die eine Stromzentrale besetzt haben, zu Disziplinargesprächen vorgeladen. Ihnen drohen Entlassung oder Zwangsverrentung.

Im Inneren der Betriebe drängt die Basis die Spitzen der Gewerkschaften zu härteren Kampfmethoden. Der Chef der mächtigsten Stromgewerkschaft CGT-Mines, Imbert, sagt: „Der Kampf geht weiter.“ An jeder Station der Tour de France und bei jedem Sommerfestival wird es Proteste geben.

Die Beschäftigten von EDF und GDF haben in den vergangenen Jahren soziale Rechte erkämpft, darunter eine Gesundheits- und Rentenversorgung, die heute in Frankreich ihresgleichen suchen. Um den sozialen Frieden in den Unternehmen zu erhalten, sagte der Finanzminister ihnen zu, diese nicht anzutasten. Freilich gilt das nur für die gegenwärtig Beschäftigten. Was nach ihrer Verrentung passiert, ist offen. Das drohende Ende des Sozialstatuts von EDF/GDF beunruhigt auch die Beschäftigten in anderen Bereichen. Mit dem Verweis auf EDF/GDF könnten auch dort soziale Errungenschaften kippen.

Französische AtomgegnerInnen befürchten, dass mit der Privatisierung auch der Atompark unsicherer wird. Sie beobachten, dass der Rentabilitätsgedanke immer mehr Gewicht gegenüber der Sicherheit bekommt. Zuletzt war das im AKW Cattenom deutlich. Als dort Mitte Mai ein offener Brand ausbrach, wurde nur der direkt betroffene Block abgeschaltet. Die drei anderen Blöcke liefen weiter.