Im Interesse der Familie

Kinder können künftig vom Stiefvater oder von der Stiefmutter adoptiert werden

BERLIN taz ■ Genaue Zahlen gibt es keine – aber das Familienministerium schätzt, dass bereits heute viele Kinder in homosexuellen Lebensgemeinschaften leben – die Angaben schwanken zwischen 8.300 (laut Mikrozensus 2001) und 160.000. Meist sind es Kinder von Frauen (und Männern) aus deren heterosexuellen Lebensphasen, immer häufiger sind es Sprösslinge lesbischer Paare, bei denen sich eine der Frauen künstlich (in den Niederlanden, Dänemark, Israel) hat befruchten lassen, ohne den biologischen Vater zu kennen. In jenen Fällen verstehen sich beide Partnerinnen als Eltern, aber erb- und unterhaltsrechtlich ist nur die leibliche Mutter für (im psychosozialen Sinne) beider Kind verantwortlich.

Das will das neue Gesetz nun ändern – der Koelternteil kann das Kind des/der PartnerIn mit allen Rechten und Pflichten adoptieren, so dass das Kind, für das beide sich (seelisch, materiell) verantwortlich fühlen, weiß, zwei Eltern (klassisch)zu haben. Das wäre auch nur logisch, denn schon das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 (LPartG) kreierte das kleine Sorgerecht, mit dem einE LebenspartnerIn ohne biologische Verbindung zum Kind es beim Arzt, in der Schule oder bei Behörden hat vertreten kann. Wie auch in heterosexuellen Fällen hat immer ein Familiengericht das letzte Wort. Der Entwurf schließt aus, dass – bei einem traditionell-heterosexuell gezeugten Kind – die inzwischen lesbische Mutter dem leiblichen Vater den gemeinsamen Nachwuchs einfach „wegadoptieren“ kann: Der muss – wie auch die Familiengerichte, gesetzlich nur dem Kindeswohl verpflichtet – auf alle Fälle zustimmen.

Die Union empört sich nun nicht nur über die Stiefkindadoption, sondern über das Adoptionsrecht homosexueller Paare schlechthin: Solche könnten keine Familie begründen – worin eine konservative Sicht vom Artikel 6 Grundgesetz verborgen liegt.

Aber schon die Karlsruher Richter argumentierten in ihrem Spruch zum LPartG (Juli 2002), Ehe und Familie seien auch grundgesetzlich nicht als synonyme Begriffe zu nehmen. Damit näherten sie sich der modernen Auffassung von Familie an: Sie sei da zu finden, wo Kinder sind – und nicht automatisch nur dort, wo die sexuelle Orientierung moralisch integrer als eine andere wirkt.

Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) meinte gestern auf Nachfrage, generell sei auch sie für ein Adoptionsrecht Homosexueller, jedoch sei dafür bislang keine gesellschaftliche Mehrheit vorhanden. JAF