Je eher, desto weniger Union

Rot-Grün will die Rechte in der Homoehe stärken. Der Gesetzentwurf klammert alle Fragen aus, bei denen auch der Bundesrat zustimmen müsste

AUS BERLIN JAN FEDDERSEN

Die Justizministerin zeigte sich gut gelaunt, neben ihr lächelte Volker Beck, der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen: Sehr zufrieden sei sie, sagte Brigitte Zypries, dass am Freitag im Bundestag mit den Beratungen zu einigen Punkten des Gesetzes zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft begonnen werde. Und zwar mit Rückenwind aus Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht hatte im Sommer 2002 in einem denkwürdigen Spruch befunden, dass eine Art Homoehe keineswegs mit Artikel 6 des Grundgesetzes kollidiere. Mehr noch sei es dem Gesetzgeber anheim gestellt, nötigenfalls homosexuellen Paaren die gleichen Rechte und Pflichten wie in einer klassischen Ehe zu geben.

Die klagende Union (die Länder Bayern, Thüringen, Baden-Württemberg und Sachsen) waren plötzlich mit einer Wirklichkeit konfrontiert, die sie bis dahin nicht zur Kenntnis nehmen wollte – und bis heute nicht will: Zwar wird die CDU/CSU im Falle einer Regierungsübernahme nicht die Homoehe wieder abschaffen (was schon aus Gründen des Bestandsschutzes schwierig wäre), aber im Bundesrat hat sie verhindert, was nur geht. Denn: Das LPartG regelt bis dato, dass homosexuelle Paare füreinander finanziell aufkommen müssen – beim Unterhalt beispielsweise. Entsprechende Rechte einzuräumen, die sich auch einkommenssteuerrechtlich (Stichwort: Ehegattensplitting) niederschlagen, hat die Union verhindert. Denn alle steuerrechtlichen Angelegenheit sind in der Länderkammer zustimmungspflichtig.

Kein Wunder, dass sich seit August 2001 – dem ersten Tag, an dem homosexuelle Trauungen in Deutschland möglich waren – nur 5.000 Paare haben verpartnern lassen. Der Mikrozensus (stichprobenartig erhobene Bevölkerungsstatistik) von 2001 hat allein 48.000 schwule oder lesbische Paare hierzulande festgestellt: Die meisten wollen zwar die finanziellen Pflichten füreinander übernehmen, aber auch entsprechende Rechte bekommen.

Diese Ungerechtigkeit wird auch in der vom Freitag an zu beratenden Gesetzesnovelle nicht getilgt werden können: Denn der Bundesrat ist nach wie vor in der Hand von Konservativen – und, wie diversen Stellungnahmen aus der Union zu entnehmen ist, nicht willig, ein Ergänzungsgesetz zu verabschieden. Eines, in dem auch schwule oder lesbische Paare einander als vollgültige Erben einsetzen können; eines, in dem die Unterhaltungspflichten steuertechnisch aufgewogen werden; eines, das auch verpartnerten Beamten die gleichen Privilegien einräumt wie heterosexuellen.

Man habe, so Justizministerin Zypries, keine Zeit gehabt, der Union auch noch ein verhandlungsfähiges Ergänzungsgesetz vorzulegen – das, was die Koalition jetzt durch die Gesetzesmaschine bringen will, ist frei vom Zwang, vom Bundesrat gebilligt zu werden: eine Kanzlermehrheit nach einem Einspruch der Länderkammer hilft. Und diese Verbesserungen sind ganz ordentlich. Vorgesehen ist die Einführung eines Verlöbnisses (das ein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gerichten einschließt), die Übernahme des ehelichen Güterrechts, die weitgehende Angleichung des Unterhaltungsrechts und die Einführung eines Versorgungsausgleich bei der Trennung, die Zulassung einer Stiefkindadoption, die Einbeziehung der Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung (was nicht für Beamte gilt) sowie weitere Kleinigkeiten, die die (unbegründete) Distanz zur klassischen Ehe verringern hilft.

Die Union hat immerhin öffentlich auf eine Erklärung verzichtet, dass man sich an parlamentarischen Beratungen nur sabotierend beteiligen werde – wie bis 2002. Aus dem CDU-regierten Hamburg ist zu hören, man wolle verhandeln, ohne allerdings präzise zu definieren, über was genau. Rot-Grün muss sich beeilen: Das Gesetz (wie jedes andere Reformwerk) muss bis Mai 2005 über die Hürden gebracht sein. Dann könnte Nordrhein-Westfalen von der Union erobert worden sein, was der Partei im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit brächte. Mit ihr wäre jedes Gesetz durch die Länderkammer zustimmungspflichtig.