So macht Sparen Spaß

Mit seinen Milliarden-Kürzungen hat CDU-Ministerpräsident Christian Wulff eingespielte Mechanismen in Gang gesetzt: Tipps, um sich jetzt zu profilieren

aus Hannover Kai Schöneberg

Wenn Sie in diesen Zeiten an der Regierung sind, haben Sie es zugegebenermaßen verdammt schwer: Es mehltaut, die Steuern brechen weg, Rot-Grün hat’s verbockt. Manchmal sind Sie traurig und denken, toll, wenn die Sozen jetzt den Karren aus dem Dreck ziehen könnten. Es hilft aber nix: Wer wie die niedersächsische Landesregierung ein 1,9 Milliarden-Etatloch hat, setzt eingespielte Mechanismen in Gang. Tipps für alle Beteiligten:

1. Verkaufen Sie ihre Kürzungen so gut wie es geht!

Wiederholen Sie gebetsmühlenartig, das Land befinde sich in einer „dramatischen Lage“, die das „massive“ Rasieren in allen Ressorts leiderleider „unabdingbar“ (Variation: „alternativlos“) mache. Und: Nicht „rumeicheln“ (O-Ton CDU- und FDP-Fraktion), nicht wackeln wie die in Berlin! Das wird in den nächsten Monaten besonders wichtig, wenn es auch den Abgeordneten von CDU und FDP dämmert, dass ihnen die Betroffenen in den Wahlkreisen die Hölle heiß machen.

2. Emphatie! Versprühen Sie Mitgefühl!

Sagen Sie wie Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) bei der Klausur am Dienstagabend zum Kabinett und jedem anderen, der es nicht mehr hören kann, sie wollten den Niedersachsen „noch in 20 Jahren in die Augen sehen“ können „und nicht lügen, wenn ich sage: ‚Wir haben das alles getan, weil wir uns für euch verantwortlich fühlen‘“. Ist egal, dass keiner glaubt, es ginge gar nicht um alle, sondern nur um die eigene Klientel. Natürlich treffen die Sparvorschläge alle! Deshalb brauchen Nichtsesshafte keine Qualifizierung mehr, jugendliche Straftäter nicht mehr so viel Fürsorge. Kürzen Sie bei der Straffälligenhilfe, beim Täter-Opfer-Ausgleich, in der Soziokultur oder beim Integrationsprogramm für Ausländer, beim Programm Soziale Stadt oder bei der Unterbringung psychisch Kranker im Maßregelvollzug.

3. Wenn Sie Finanzminister sind: Es war noch nie so leicht, Nein zu sagen!

Und: Es geht doch nur darum, die eigene Latte wenigstens auf dem Papier nicht zu reißen, also die Neuverschuldung im kommenden Jahr um 350 Millionen auf 2,15 Milliarden Euro zu senken. Deshalb: Bilden Sie Schattenhaushalte! Sollen Bund der Steuerzahler oder SPD doch jammern, dass das Verschieben der Landesanteile der NordLB in die ebenfalls landeseigene Hannoversche Beteiligungsgesellschaft (HanBG) nur ein „Taschenspielertrick“ sei. Ohne die 450 Millionen Euro dafür und die Herabsetzung des Stammkapitals der HanBG (80 Millionen) hätten Sie doch nie und nimmer die 1,9 Milliarden Euro erreicht.

4. Falls Sie zuletzt eine Wahl verloren haben: Machen Sie es wie Sigmar Gabriel!

Eigentlich wäre jetzt Ihre Stunde gekommen. Allerdings hat Ihre Partei mit 13 Regierungsjahren eine kleine Mitschuld am Desaster – und vor drei Jahren nicht reagiert, als die Einnahmen erstmals deutlich unter die Ausgaben sackten. Mit echten eigenen Vorschlägen könnten Sie jetzt ihre letzten Mohikaner vergrätzen. Deshalb: Machen Sie es wie Sigmar Gabriel: Fordern Sie, was nie passieren wird! Auf Bundesebene solle Wulff sich gegen eine weitere Senkung des Spitzensteuersatzes einsetzen und im Bundesrat endlich seine „Blockadepolitik gegen den Subventionsabbau“ aufgeben, forderte der SPD-Fraktionschef gestern. Auch revolutionär: Umwelt- und das Agrarministerium in Hannover sollen bitteschön fusionieren.

5. Für Klassenkämpfer: Jetzt schäumen!

Wenn Niedersachsen mit betriebsbedingten Kündigungen droht, als erstes Bundesland das Weihnachtsgeld für seine 115.000 Beamten und alle neu Angestellten komplett streicht, ist es Zeit, sich aus der Rückenlage zu befreien. Die Länder planten wohl einen „Unterbietungswettbewerb, wer die größten Schweinereien für die Beschäftigten parat hat“, sagte Verdi-Landeschef Wolfgang Denia. Ein Oberbrandmeister bei der Feuerwehr (A8) verliere jährlich 1.335 Euro Weihnachtsgeld. Von „Kahlschlagpolitik“ mit „schwerwiegende Folgen“ sprach sein DGB-Kollege Uwe Tölle. Über eine „Rotstiftorgie“ ärgerte sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP), weil auch Beamte künftig Praxisgebühren entrichten und Zuzahlungen zu Medikamenten leisten sollen, obwohl sie bereits einen Eigenanteil erbringen. Und erst die armen Pensionäre, deren Beihilfen gekürzt werden!

6. Au weia, Kommunen!

Noch mal 150 Millionen Euro aus dem Kommunalen Finanzausgleich weniger, weil es dem Land ja „tendenziell schlechter gehe als einigen Gemeinden“. Da hilft nur: Weiter vom „schlimmen Foul“ zetern – und Schwimmbäder, Kitas, Büchereien oder Theater dicht machen.

7. Venceremos, Studenten: Droht bloß nicht mit freier Liebe in einem heißen Herbst!

Da demonstriert Ihr gestern tausendfach in Oldenburg, vorgestern floh das Kabinett sogar vor Euch vom Tagungshotel gen Hannover. Dabei seid ihr doch noch gut weggekommen! Nur 28 Millionen Euro müssen die Hochschulen im kommenden Jahr sparen, der Verwaltungsbeitrag steigt pro Semester nur um 50 Prozent von 50 auf 75 Euro, eine Schließung von Instituten steht „vorerst“ nicht an, weil Bildung „Prioriät“ im Land hat. Das lässt sich übrigens auch gut daran erkennen, dass im Lehrerbudget 40 Millionen Euro gekappt wurden.

8. Hallo Wähler!

Ein paar gehn noch rein: Erst in den nächsten Tagen klären die Ressorts, wie sie weitere Sparauflagen in Höhe von einer knappen halben Milliarde Euro (!) abzwacken wollen. Auf dem Papier nennt sich das „globale Minderausgabe“ oder „übrige Positionen“, tatsächlich heißt es, dass die größten Kürzungen, vor allem im Sozial- und Kulturbereich erst bevorstehen. Was tun? Die nächsten Wahlen sind erst im Jahr 2008.